60. Biennale Venedig Foreigners everywhere - Bunt und vielfältig, queer und indigen, modern und politisch

Xl_img_3449__002_ © helmut pitsch

60. Biennale Venedig Foreigners everywhere - Bunt und vielfältig, queer und indigen, modern und politisch 

87 Länder, darunter Tansania, Osttimor, Benin und Äthopien erstmals, nehmen mit ihren Länderpavillons teil. 330 Künstler aus 80 Länder stellen ihre Interpretation des Leitmotivs Foreigners everywhere vor, soviele wie noch nie. Der Titel wurde von dem Künstlerkollektiv Claire Fontaine, in den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts in Palermo aktiv, abgeleitet. 

Adriano Pedrosa, der Kurator der diesjährigen Biennale, ist Brasilianer und lebt dort,offen homosexuell und ist stolz der erste queere und in der südlicher Hemisphere lebende Kurator in Venedig zu sein. Diese Akzente hat er in der Zusammenstellung der bedeutenden Kunstausstellung ausgeprägt umgesetzt. Für den offiziellen Pavillon des Veranstalters hat er auch Außenseiter, Laien und auch Autodidakten eingeladen, vielfach mit indigen oder transgender Hintergrund. 

In zwei sogenannten Nuklien - zeitgenössisch und historisch - stellt er aufschlussreich bisher in der Kunstszene nicht vertretene Künstler vor. Im historischen trifft der Besucher spannend an Hand von Porträts auf Modernisten des 20. Jahrhunderts abseits Europas, durchaus mit lohnendem Vertiefungspotential. Bunt, mit viel Volkskunst durchsetzt, ist der zeitgenössische Nukleus, der manche Tiefenwirkung vermissen lässt. 

In den Ländepavillons überwiegt die Bewältigung kolonialer Greueltaten, die aktuelle Flüchtlingsthematik wie auch Krieg und Vertreibung. So bespielt ein ukrainischer Künster mit kriegsrelevanten Videos den polnischen Pavillon nachdem der ursprüngliche Künster durch die Veränderungen der politischen Machtstrukturen in Polen ausgeladen wurde. Amerika trifft bunt auf seine Ureinwohner, ebenso widmet Dänemark seine Flächen den Inuits Grönlands. Serbien mahnt die Erfahrungen während der sozialistischen Unterdrückung an, wie auch Bulgarien. 

In den begleitenden Veranstaltungen - Collateral events- werden diese Themen ebenso aufgearbeitet. Der Begriff Fremder wird in vielen Facetten aufbereitet.

Spannend sind verschiedene Sonderausstellungen, die zeitgleich mit der Biennale in ganz Venedig zu besuchen sind. Im „planete lalannes“ trifft der Besucher auf das äußerst kreative Designerehepaar Claude und Francois Xavier Lalanne, die erfolgreich für Modeschöpfer, Filmindustrie und Königshäuser gearbeitet haben. In Museum Punta La Dogana taucht der Besucher in das künstlerische Weltbild von Pierre Huyghe ein. Sein vielseitiges langjähriges Schaffen erstreckt sich auf viele gestalterische Ebenen. 

Adriano Pedrosa verweist zurecht auf Venedig, das immer offen für "Fremde" war und selbst bei ihrer wirtschaftlichen Eroberung immer Fremder in allen erreichten Regionen war. Nur so ist Fortschritt und Erfolg möglich. Das untermauert bildhaft eindringlich die parallel im Dogenpalast laufende sehenswerte Jubiläumsausstellung zu dessen berühmtesten Bürger Marco Polo. zu dessen 700. Todesjahrjubiläum.

Wieder umfasst das bedeutendste venezianische Kunstereignis ein rekordverdächtiges Programm, bietet die Begegnung mit Bekannten und viel Unbekanntem. Die Stadt ist Bühne für die Künstler, Galeristen, Museen, Sammlern, Kuratoren und einem breiten interessierten Publikum. 

Dr. Helmut Pitsch

| Drucken

Kommentare

Loading