Berlin, eine weltweit einmalige Opernlandschaft

Xl_paysage-lyrique-berlin © DR

Nach Jahren der Arbeiten gekennzeichnet mit kostspieligen Verspätungen, wird die bedeutendste Berliner Bühne am kommenden 3. Oktober wieder ihre Pforten öffnen, ein nationales Ereignis und der Jahrestag der deutschen Einheit. Die Staatsoper unter den Linden war eine dieser nicht enden wollenden Baustellen in Deutschland in den letzten Jahren. Sie ist nun (beinahe) fertig und diese Wiedereröffnung ist die Gelegenheit, sich der Geschichte der Berliner Opernszene zu besinnen, zumal  die Wiedereröffnung der Staatsoper nach ihrer  Einweihung in 1742 durch die Vorgänge der deutschen Wiedervereinigung eine tiefe Zäsur bedeutet.


Deutsche Oper Berlin ; © DR

Bis 1989 waren die Dinge ausreichend klar. Erbin der städtischen Bühne und der konkurrierenden Staatsoper wurde die 1961 in einem modernen typischen Nachkriegsbau eröffnete Deutsche Oper. Ihre Mission war den musikalischen Opern - Appetit der in den westlichen Sektoren eingeschlossenen Berliner zu stillen. Im Osten teilten sich das Geschehen die traditionelle Staatsoper, in der die Deutsche Demokratische Republik eine Illusion von Prunk gab und die komische Oper, in der deutsch für den Deutschen Bürger gesungen wurde, aber nicht ohne einem ambitionierten Anspruch. Diese wurde 1947 von Walter Felsenstein gegründet, welcher bis zu seinem Tod 1975 mit seinen vom Schauspiel beeinflussten  Inszenierungen für besondere Aufmerksamkeit sorgte. Nicht gezählt ist die Philharmonie, welche unter Herbert von Karajan ein sperriger Konkurrent der Opernbühnen war.

Der Fall der Mauer hat natürlich die Landschaft überrollt. Die seit 1981 erfolgreich von Götz Friedrich geführte Deutsche Oper schien in einer Position der Stärke (selbst nach dem Tod von Götz Friedrich 2000 ist nicht sicher ob die Oper geschlossen wird). Aber die Staatsoper, belegt mit der Last der DDR, findet ohne lange zu warten, den Mann der Stunde, Daniel Barenboim. Gepeinigt von der Nichtverlängerung seines Vertrages an der neuen Opera de Paris und erfolglos in der Nachfolge Herbert von Karajans bei den Berliner Philharmonikern wird er 1992 musikalischer Leiter der Staatsoper. Er macht aus der Staatskapelle, dem Hausorchester, ein erstklassiges Opern und Symphonieorchester. Barenboim ist das unangreifbare Zentrum des Berliner Kulturlebens und keine verantwortlicher Politiker wagt es seine Souveränität anzugreifen.


Daniel Barenboim et la Staatskapelle Berlin ; © Holger Kettner

Was soll nun aus den beiden anderen Opernhäusern werden. Zusammengeführt in einer Gesellschaft im Besitz der Stadt und des Landes Berlin, spitzt sich die finanzielle Krise der Stadt zu und auch die Kultur muss ihren Beitrag leisten. Eines der besten Sprechtheater wird geschlossen und die Verantwortlichen dürfen mit Angst das Schicksal der Balletttruppen an den drei Häusern beobachten. Angekündigt für 1996, erfolgte die Fusion der drei Balletttruppen in 2004 und hatte mehr als eine Halbierung der Zuwendungen und eine blutlose Programmgestaltung zur Folge. Droht das gleiche Schicksal für die Welt der Oper? Die Staatsoper unter Daniel Barenboim ist unangreifbar, die Deutsche Oper ist die Oper des Westens, der Siegermächte (und nicht von ungefähr die Grösste der drei Häuser mit 1800 Sitzplätzen). So befindet sich die Komische Oper im Brennpunkt der öffentlichen Buchhaltung. Glücklicherweise haben sich die Zeiten geändert. Die Komische Oper, das schwächste Glied im Berliner Opernleben hat sich gewandelt, indem sie die Praxis der deutschsprachigen Aufführungen aufgegeben hat und seine Originalität in der Aufführungspraxis und Qualität der Regiearbeiten gefunden hat. Die internationale Aufmerksamkeit ist weiter gewachsen und besonders das Publikum ist zurückgekehrt, verjüngt und entusiatisch.

Und Berlin hat gelernt mit seinen Schulden zu leben. Besonders die Berliner Politiker sind zur Einsicht gekommen, dass das  Kulturleben in ihrer Stadt das besondere Etwas ist gegenüber dem Gepräge der Weltwirtschaft.  Der Stadtstaat hat aufgehört, nicht zu wissen was er will, und die Wichtigkeit eingesehen, in seine Stärken zu investieren. Der Bundesstaat unterstützt seine fragile Hauptstadt in dieser Sichtweise. Die Rationalisierungsversuche gipfelten in der Gründung der Opernstiftung 2004, in der gesellschaftsrechtlich alle drei Opernhäuser, die Balletttruppen und Werkstätten zusammengeführt wurden. Ihre Funktionsweise geht nicht über eine Koordination in der Programmgestaltung (in einer Saison dürfen die grossen Repertoiretitel nur in zwei Häusern auf dem Spielplan stehen) hinaus, aber sie erlaubt die Personal-, Finanz- als auch die Bau und Betriebsabteilungen zusammenzulegen. Die Frage der Intendanz ist nicht für den Zuseher entscheidend aber sie sind Determinanten, dass das Opernleben unverändert vielschichtig und international unvergleichbar bleibt. Heute, auch wenn die Subventionen in jedem Haus hoch bleiben, hat sich die Situation stabilisiert und erholt. Hat die Staatsoper erst einmal Ihren Rhythmus wiedergefunden, werden die Alpträume seiner Renovierung vergessen sein und die Presse und das Publikum können sich auf das Essentielle konzentrieren: die Musik, die Stimmen, die Bühne und was die Opernliebhaber nie vergessen dürfen: die Begeisterung für die Entdeckung.

Dominique Adrian

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