© Matthias Goerne
Am 4. März 2017 wurde der von Frank Gehry entworfene Pierre Boulez Saal eröffnet. Mit seiner aussergewöhnlichen elliptischen Form und einer programmatischen Leitidee, die die zeitgenössische Musik gleichberechtigt neben Klassik und Romantik stellt, ist der Saal fester Bestandteil des Berliner Kulturlebens geworden. Eine 95%ige Auslastung bei 150 Konzerten bestätigt eindrucksvoll die Konzeption zum ersten Jahrestag Der Pierre Boulezsaal ist Teil der Barenboim Said Akademie, die eine Musikhochschulausbildung für talentierte junge Musiker aus dem Nahen Osten und Nordafrika anbietet. Auch das von der Barenboim Said Stiftung 1999 gegründete West Eastern Divan Orchester hat hier ein zu Hause gefunden.
Das einjährige Bestehen wird mit ausgewählten Konzerten gefeiert. Gemeinsam mit dem gefeierten Pianisten Leif Ove Andsnes gestaltet der Bariton Matthias Goerne Schuberts Winterreise und die beiden Ausnahmekünstler ergreifen das Publikum mit einer gefühlvollen und künstlerisch durchdrungenen Interpretation dieses von Sehnsucht und Schwermut gefüllten Liederzyklus von Franz Schubert. Kurz vor seinem Tod verfasste der Komponist dieses Werk und es gibt Zeugnis der biedermeierlichen inneren Emigration in der Zeit des politischen Vormärz. Die Beiden wählen sehr behutsame Tempi, die Verinnerlichung der Gefühle erfolgt unaufdringlich. Zu Beginn zeigt die Stimme von Matthias Goerne noch raue unebene Stellen. "Fremd ist er eingezogen", aber sein Interpretationsstil baut sich erst auf und im weiteren Verlauf zieht er wahrlich in das Wort- und Gedankengebäude aus Wehmut, Todesdrang und Todesangst ein. Ein Spiegel des Lebens um Freud und Leid in Melancholie und Innigkeit erfasst die beiden Künstler und sie reissen das Publikum in ihrer offene Intimität mit. Nicht nur die Stimme auch die körperliche Ausdruckskraft baut der Sänger ein. Er windet sich und streckt sich, wendet sich ab und öffnet die Arme, Gesten die aus dem Gefühl aus der Symbiose Wort und Musik entstehen. Goernes Bariton ist dunkel und weich, mit vollem Klang unterlegt, in den Höhen nähert er sich hellen Tenörklängen und so wirken Lagenwechsel verfremdend, dem Werk entsprechend. Leif Ove Andsnes gelingt es neben der visuell und musikalisch straken Darstellung seines Partners ruhig und aufdringlich seine Interpretation beizusteuern und berückende Gefühle mit seinem Spiel zu erzeugen. Am Ende herrscht andächtige Stille, das Spiel des Leiermanns verklingt langsam und besonnen. Der Beifall schwillt an und reisst aus der erlebten Versunkenheit heraus.
Helmut Pitsch11. März 2018
|
Drucken
Agenda
Wörterverzeichnis
Wörterverzeichnis anzeigenSuchen
Anmelden
-
Anmelden mit Ihrem Konto
-
Konto erstellen
Kommentare