Gesangswettbewerbe als beständiges Momentum in der Krise und Karrieresprungbrett

Xl_belvedere-gesangswettbewerb_2014_dul_sseldorf_photo_copyright_susanne_diesner__002_ © Ferdinand Neumüller

Gesangswettbewerbe als beständiges Momentum in der Krise und Karrieresprungbrett

Ein Dialog mit Isabella Gabor und Holger Bleck - Geschäftsführer*innen des Internationalen Hans Gabor Belvedere Gesangswettbewerbs

 

Angesichts der aktuellen coronabedingten Einschränkungen für den Kulturbetrieb werden gravierende Befürchtungen über die Entwicklung des Künstlernachwuchses laut. Ist der Künstlerberuf noch attraktiv?

Ein Gradmesser für aktuelle Entwicklungen sind insbesondere Wettbewerbe, die traditionsgemäß als Sprungbrett für den aufstrebenden Nachwuchs wichtige Impulse geben können und müssen. Insofern hat sich Opera Online vorgenommen, mit verschiedenen Wettbewerben die Situation zu bewerten.

Der Internationale Hans Gabor Belvedere Gesangswettbewerb mit Sitz in Wien zählt zu den renommiertesten und größten internationalen Wettbewerben für junge Sänger*innen. 1982 wurde er von Hans Gabor, Gründer und langjähriger Leiter der Wiener Kammeroper, ins Leben gerufen, um junge Talente zu finden und zu fördern. Viele internationale Spitzensänger*innen haben dort ihre ersten Auftritte und Engagements ersungen. Entscheidend für den Erfolg des Wettbewerb ist die Zusammensetzung der Jury Mitglieder aus Vertreter*innen renommierter Opernhäuser, Intendant*innen und Casting Direktoren*innen, die für die Besetzung und das Engagement verantwortlich sind. Künstleragenten erhielten den Status von Beobachtern. Eingeladene Medienvertreter*innen übergeben einen Medienpreis. Diese Idee einer hochwertigen “Sänger*innen Börse” führte rasch zu einem großen Interesse mit stetig steigenden Anmeldungen. Seit 1992 werden Qualifikationsrunden weltweit in bis zu 70 Städten durchgeführt. Das prestigeträchtige Finale findet seit 2013 alternierend an führenden internationalen Opernhäusern sowie auch Festspielorten oder Konzerthäusern statt. 

Nachdem der Wettbewerb 2020 nach den ersten Vorsingrunden pandemiebedingt nicht fortgeführt werden konnte, laufen ab April die ersten Qualiffikationsrunden für den Wettbewerb 2021. Die letztjährigen Qualifizierten – 59 junge Sänger*innen – sind bereits für dieses Jahr als Fixstarter integriert. „Mit großer Erleichterung wurde die Ausschreibung des Wettbewerbs bei den Nachwuchssänger*innen aufgenommen und als wichtiges Zeichen für den Erhalt und Fortbestand des Kulturbetriebes gewertet“ freuen sich die beiden Geschäftsführer*innen.  Weitere 100 weitere Sänger*innen sollen in den nächsten Monaten ausgewählt werden. Laufend werden weitere Institutionen für die Qualifikationsrunden aufgenommen. Die lokalen Coronamaßnahmen sowie die Reisebeschränkungen erschweren die Organisation. Das 39. Finale findet ab 20. Juni im Juni am Theater Erfurt statt. Auch hier werden die dann geltenden Abstandsregeln und Sicherheitskonzepte höchste Anforderungen an die Organisatoren stellen.

Auch dieses Jahr wird die Jury mit Vertreter*innen der führenden Opernhäuser wie u.a. Metropolitan Opera, Royal Opera House Covent Garden, Teatro alla Scala, Bolschoi Theater oder Helikon Oper besetzt sein.

Opera Online konnte mit der Witwe des Gründers Isabella Gabor über die weitere Entwicklung des Wettbewerbs sprechen und einen kritischen Blick auf die Situation der Nachwuchskünstler*innen nach nahezu 12 Monaten Corona-Lockdown für die Kulturinstitutionen werfen.

Herausfordernd aber realistisch optimistisch arbeiten Gabor, Bleck und ihr Team an der Realisierung des diesjährigen Wettbewerbs, engagiert halten sie engen Kontakt mit den Theatern in Odessa, Lemberg über Moskau bis Wladiwostok, wie auch in Südafrika oder New York. Weltweit vernetzt kooperieren ihre Ansprechpartner*innen für den Wettbewerb und insbesondere für die jungen Künstler*innen, um Perspektiven zu schaffen. Die Stimmung der Jugend beschreibt Gabor aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheiten und fehlenden Auftritte als sehr belastend. Einen wahren „Hype“ habe da die Ausschreibung im Januar ausgelöst. Die hohe „Engagement Ratio“ (Anzahl von Engagements zu Finalteilnehmer) des Wettbewerbs zeichnet dessen internationale Attraktivität und den Erfolg aus. 10 der 13 Finalisten konnten 2019 mit einem Engagement nach Hause fahren. Das nährt die Hoffnung für die Teilnahme 2021.

Zurzeit erkennt sie noch keine veränderten Gegebenheiten im Markt. Die Nachfrage bzw. der Nachwuchs ist unverändert in Quantität und Qualität. Im Verhältnis der Geschlechter bleibt ein Überhang bei den weiblichen Teilnehmerinnen. Soprane stellen weiterhin die Mehrheiten, Mezzosoprane, Tenöre und Baritone zeigen wechselnde Entwicklungen. „Coutertenöre sind im Kommen, hier müssen wir an mehr Einbezug arbeiten und die Pflichtarien definieren“.

Regional merkt sie auch kaum Veränderungen an. „Wir haben viele Kandidat*innen aus Korea und China mit sehr guter Qualität.“, aber „auch Rußland ist traditionell sehr stark.“. Die Verteilung auf die anderen Länder schwankt, so zum Beispiel bei Italien oder der Schweiz. Für dieses Jahr müssen Gabor und Bleck viel neu denken. „Was passiert mit den Sänger*innen aus Übersee? Werden diese reisen dürfen?“. Dies beschäftigt sie für den gesamten Wettbewerb. „Wir betreten Neuland mit den Vorsingen, die nach einem klaren Zeitplan in den Theatern stattfinden.“ Von einem online Vorsingen hält sie nicht viel. Wirkung und Auftreten sind für den Eindruck ebenso wichtig wie die Stimme selbst. „Eine Beratung der Sänger*innen, eine Form von Coaching könnte ein weiteres Angebot des Wettbewerbs werden" hebt sie diesen Anspruch hervor.

„Aus Nigeria kommen immer wieder Anmeldungen, oft scheitert das Vorsingen  an den Einreisebestimmungen verschiedener Länder“ aber da will der Wettbewerb weiter Unterstützung geben. Mit Arabien hat sie „Versuche in Kairo und Marokko gestartet, aber mit wenig Resonanz“.

Bei den Jurymitgliedern besteht großes Interesse daran, daß der Belvedere-Gesangswettbewerb dieses Jahr stattfinden kann. In New York besteht zwar immer noch Unsicherheit, wie etwa der Spielbetrieb ab September aussehen kann, in Moskau ist man „engagiert aber coronabedingt vorsichtig“. In Deutschland hoffen Opernhäuser auf einen „baldigen unveränderten Kulturbetrieb“ mit Auflagen. Die Zusicherung auf Teilnahme in der Jury hat sie von allen bekommen.

 

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für den Ablauf des diesjährigen Wettbewerbs.

 

Der Internationale Hans Gabor Belvedere Gesangswettbewerb im Profil:

  • International Hans Gabor Belvedere Singing Competition

 

Teilnehmer: im Alter bis 32Jahre, Anmeldegebühr €48,

Jury:          15 Vertreter von Institutionen ausschließlich Intendanten, Opern-, Festival- und Castingdirektoren

6 Medienvertreter

Vorauswahl:heute weltweit in 70 Städten auf allen Kontinenten:

 

Qualifikationsrunden fanden in den letzten Jahren statt:
Große, kleine und mittlere Operntheater:
MET New York, Covent Garden London, Deutsche Oper Berlin, Semperoper Dresden, Wiener Staatsoper, Hamburgische Staatsoper, Théâtre aux Champs Elysées Paris, Oper Zürich, Oper Cape Town, Teatro Real Madrid, Helikon Oper Moskau, Brüssel La Monnaie sowie die Opernhäuser in Amsterdam, Barcelona, Bern, Bratislava, Buenos Aires, Copenhagen, Dortmund, Düsseldorf, Erfurt, Graz, Helsinki, Irkutsk, Istanbul, Jurmala, Kassel, Klagenfurt, Linz, Lissabon, Ljubljana, Lviv, München, Prag, Reykjavik, San Diego, San Francisco, Seattle, Stockholm, Stuttgart, Tel Aviv, Udine, Vladivostok, etc

Musikakademien/Konservatorien: Brisbane, Detmold, Dublin, Gdansk, Köln, Krakau, Melbourne, Odessa, Oslo, Pesaro, Philadelphia, Poznan, Pretoria, Sankt Petersburg, Seoul, Tbilisi, Timisoara, Toronto, Vancouver, Varazdin, Wien MUK, Wroclaw, Yerevan, Zagreb, etc.

Österreichische Botschaften/Kulturforen: Bejing, Budapest, Milano, Rom, Sofia, Tokyo, Warschau, etc.

 

Finale:8 Tage €168 Teilnahmegebühr

Austragungsort seit 2013 international:  Amsterdam (2013,2015), Düsseldorf (2014), Kapstadt (2016), Moskau (2017), Jurmala/Lettland (2018), Villach (2019), 2020 abgesagt, Erfurt (2021)

Preise: 1. Preis Euro 7.000.-/2. Preis Euro 3.500.-/ 3. Preis Euro 2.500.-

Publikumspreis Euro 2.000.- / Medien-Jury-Preis Euro 1.500.-

 

Preisträger des Internationalen Hans Gabor Belvedere Gesangswettbewerbs u.a. Elina Garanča, Angela Gheorghiu, Marina Mescheriakova, Ildikó Raimondi, Irina Samoilova, Stanislav Schwez. Antonio Poli, Rachel Willis-Sørensen,Pretty Yende, Angelika Kirchschlager, Lise Davidsen, Heidi Melton, Angela Meade, Irina Lungu, Gabor Bretz.

 

Management:Isabella Gabor und Holger Bleck

| Drucken

Kommentare

Loading