Ariadne auf Naxos in Hamburg: Spiel im Spiel mit tödlichem Ausgang

Xl_03_hso_ariadne_auf_naxos_c_monika_rittershaus_klein © Monika Rittershaus

Hamburgische Staatsoper

 

Ariadne auf Naxos

(Richard Strauss)

Besuchte Vorstellung 29. Januar 2025

Premiere am 26. Januar 2025

Der Regisseur Dmitri Tcherniakov bringt in Hamburg seinen dreiteiligen Richard-Strauss-Zyklus zum Abschluss, der zuvor bereits Elektra und Salome auf die die Bühne der Staatsoper brachte.

Zusammen mit seinem bewährten Team Elena Zytseva für die Kostüme und das Licht -Design von Gleb Filshtinsky befinden wir uns wieder in der großbürgerlichen Wohnung in Wien, diesmal jedoch mit ausdrucksstarker Farbgebung und modernen Kronleuchtern.

Da alle guten Geschichten mit Antikenbezug in Traumata oder Tröstungen von Familien-Komplikationen wurzeln, verwandelt Tcherniakov die Handlung auch hier in eine Familienangelegenheit. Der Personenkreis ist neben der Kernfamilie lediglich angereichert durch Musikstudenten. 

Dies erlaubt einen äußerst intimen, liebenswert-ironischen Umgang der Protagonisten untereinander, insbesondere mit den antikisierenden Elementen der Oper in der Oper. Alle Beteiligten kümmern sich hingebungsvoll um die um ihren Gatten Theseus trauernde, frische Witwe Ariadne. Sie schicken sogar Bacchus – hier der neue Freund von Zerbinetta (Cousine von Ariadne) - vor, der etwas widerwillig einen vorgeschriebenen Texte vorzutragen hat, offenbar ohne sie selbst richtig zu verstehen. 

Ein Spiel, das Ariadne schließlich durchschaut, die wohlmeinende Absicht ihrer Verwandten doch zu schätzen weiß, die ihr in diesem Wege Tröstung verschaffen. Dabei wird dem Originaltext die Künstlichkeit des Antikisierens und der Handlung  Getragenheit und Sperrigkeit genommen, die sonst oft zu erleben sind. 

Tcherniakov sieht die Handlung laut Programmheft-Interview in der Gegenwart. Gleichzeitig verweist der Video-Abspann auch auf den Endzeit-Charakter zur Entstehungszeit des Werkes, nahe am 1. Weltkrieg – oder, wenn man so will, auf den Endzeitcharakter unserer Zeit?

Mit den Schluss-Takten kommt Alles in eine taumelnd-kreisende Bewegung der Drehbühne. Die Protagonisten schauen verunsichert aus ihrer großbürgerlichen Wohnung in eine Welt, die sich da außerhalb bedrohlich entwickelt und der sie nicht werden entkommen können. 

So liebenswert das Konzept schlussendlich auch überzeugt, kommt es nicht ohne mannigfache – wenn auch kleine und sinnhafte - Veränderungen im Handlungsfortgang aus, die auch verwirren können. Das Vexierspiel vom Spiel im Spiel entfernt in gewisser Weise zunächst die Inhalte emotional vom Betrachter. Dieser selbst muss erst über einen gedanklichen Nachvollzug den rechten Bezug wieder herstellen – dann allerdings mit Gewinn. Wohl dem, der vor der Aufführung die Details im Programmheft studieren konnte.   

Die Ariadne der Anja Kampe ist eine ideale Besetzung. Die stimmliche Souveränität geht einher mit überzeugendem, niemals übertrieben Spiel. Ihre fraulich-sanfte Stimme bewältigt die anspruchsvollen und vielfältigen Herausforderungen großartig. Darüber hinaus weiß sie mit ruhig-souveränem, manchmal ironischem Spiel die trauernde Frau im Schoße ihrer zugewandten Familie zu geben.     

Nadezhda Pavlova stellt sich mit großem Können der halsbrecherischen Rolle der Zerbinetta mit unendlich schwierigen Koloraturen –  sie verkörpert den lebenslustigen Gegenpol zu Ariadne und avanciert sofort zum Publikumsliebling des Abends. 

Ihren neuen Freund Bachhus singt der amerikanische Tenor James McCorkle. Sein fein-silbriges Organ passt vorzüglich zum Konzept und erst recht zum feinsinnigen Dirigat Kent Naganos – beide widerstehen der Verführung aus der Figur einen heldischen Wagnertenor zu zelebrieren, wie man das oft erleben kann.  

Bei Ella Taylor muss man alte Hörgewohnheiten ablegen. Statt einer kernigen Mezzo-Stimme, die für den jugendlichen und ungestümen Komponisten oft zum Einsatz kommt, erlebt man einen verhältnismäßig hohen Sopran mit stimmlicher und darstellerischer Spielfreude.    

Den Musiklehrer gab Martin Gantner umtriebig und zugewandt – in Tcheriakovs Hamburger Konzept zugleich der Vater Ariadnes, der gleich eine kleine Zahl seiner Musikstudenten zur Tröstung seiner Tochter mitgebracht hat. 

Wolfram Koch in der Sprechrolle des Theseus, Gatte Ariadnes (statt Haushofmeister im Original) haut mächtig auf die Pauke: Er nimmt in dieser Interpretation eine extrem herabwürdigende Haltung den Künstlern gegenüber ein – endet aber selbst dafür im plötzlichen Herzinfarkt mit tödlichem Ausgang. Doch Koch übertreibt die exaltierte Haltung gewaltig. Auch fällt auf, dass im Gegensatz zu den Sängern gesprochener Text und Übertitel hier mehrfach auseinanderfallen.    

Das Philharmonisches Staatsorchester Hamburg spielt mit Kent Nagano delikat und – wie immer – mit feinsinniger Zurückhaltung, blüht erst im zweiten Teil so richtig auf,  nachdem das Vorspiel über weite Strecken klanglich allzu ausgedünnt erschien. 

Die Vorstellung nach der Premiere war nicht komplett gefüllt, der Applaus für alle Beteiligten herzlich und langanhaltend. 

 

Achim Dombrowski

Copyright Fotos: Monika Rittershaus

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading