Deutsche Oper Berlin: Wohliges Ehestreiten mit Störanfälligkeiten

Xl_intermezzo_tk_dob_084_hf_brueckbengtsson © Monika Rittershaus

Deutsche Oper Berlin

Intermezzo

Premiere am 25.4.2024

Richard Strauss hat mit seinen antiken Libretti und Orchesterapparaten gigantischen Ausmaßes die klang-gewaltigsten mythologischen Brocken auf die Opernbühne gestemmt. In Intermezzo offenbart er einen intimen, selbstironischen, gleichwohl ausgesprochen liebenswerten und nach 30 Ehejahren noch immer tief-zugewandten Blick auf seine eigene Ehesituation. Eine für die Zeit ungewöhnliche Ausstellung eigener privater bürgerlicher Ehe-Verhältnisse 

Man könnte denken, der bodenständige Komponist sei durch seine Textdichter zu den seine Werke bevölkernden, übermenschlich erscheinenden Helden-Charaktere nachgerade verführt worden.    

Tobias Kratzer, zusammen mit seinen bewährten Mitstreitern Rainer Sellmaier (Ausstattung),  Jonas Dahl und Janic Bebi für die Videokunst sowie Stefan Woinke für die Lichtgestaltung nimmt sich dieses äußerst selten gespielten Opus an der Deutschen Oper Berlin an. 

Das Werk wurde genau vor 100 Jahren in Dresden erstmals zur Aufführung gebracht und steht genau in der Mitte des von Kratzer an der Deutschen Oper Berlin verantworteten dreiteiligen Strauss’schen Werkzyklus, der Arabella in der letzten Saison – mit dem Theaterpreis Faust ausgezeichnet - begann und im Januar 2025 mit Die Frau ohne Schatten abschließen wird. 

Nachdem seine vertrauten, hoch-gelahrten Textdichter die Zusammenarbeit zu einer solcherart inhaltlichen Banalität verweigert hatten, machte sich der Komponist bei diesem Werk unverdrossen selbst an das Libretto. Entstanden ist ein episodenhaftes, nachgerade Slapstick-artiges und kurzweiliges Kaleidoskop aus 14 Bildern in zwei Akten. Die Handlung kreist um den viel beschäftigten Hofkapellmeister Robert Storch und seine Frau Christine – ganz unverhohlen das Komponistenehepaar. 

Der munter-alltägliche Dauer-Ehestreit wächst sich durch ein durch den Ehemann begangenen, vermuteten Ehebetrug eine gigantische Krise aus. Die Frau wird zur Furie wie die Elektra in Strauss gleichnamiger Oper, will sich scheiden lassen und ist ganz und gar nicht zu besänftigen, auch wenn sie gleichwohl selbst während der Abwesenheit ihres Mannes einem jungen Verführer beim eleganten „Tanz“ im Ehebett willig Folge leistet. Der Ehemann stellt sich schließlich als unschuldig heraus, es liegt eine Namensverwechslung vor und die Ehe kann in den gewöhnt-normalen Fluss ihres normalen Dauerstreits zurückkehren, nicht ohne doch am Schluss auch die tiefe und langjährige und nachhaltige Zuneigung der Partner zu verdeutlichen.

Kratzer und sein Team lassen die Handlung im Hier und Heute spielen und nutzen eine Vielzahl von optischen Rückgriffen auf das Personal der Opern von Strauss, um den Verlauf liebevoll zu ironisieren. Dabei kommen alte Opernaufzeichnungen per Video ebenso zur Wirkung wie ein Eigenzitat aus der vorangegangenen Arabella-Produktion. Die hoch-diszipliniert und wie mit der Präzision eines Uhrwerks ablaufende Storyline überrascht das Publikum unaufhörlich, noch nie wurde in der Deutschen Oper mehr gelacht, kein Öffnen des Zwischenvorhangs ohne eine Lachsalve aus dem Auditorium.

Die außerordentlich üppigen, weit-ausholenden Orchesterzwischenspiele werden oft durch Originalübertragungen aus dem Graben auf den Zwischenvorhang projiziert, was dem Zuschauer einerseits ein intensiveres und bewussteres Hörerlebnis beschert, da sehr geschickt die zentralen Stimmen der Musiker jeweils im Vordergrund gezeigt werden. Weiterhin vermittelt diese Perspektive auch einen hohen Respekt vor der Leistung der Orchestermusiker dieser – wie immer bei Strauss – orchestral nicht leichten musikalischen Struktur.    

Nachvollziehbar betonte Donald Runnicles, Generalmusikdirektor des Hauses und Dirigent auf der Premierenfeier, wie sehr er sich doch darüber ärgere, nicht selbst auf diese Idee für sein eigenes, großartiges Orchester gekommen zu sein.    

Die größte Gesangspartie trägt Maria Bengtsson als Ehefrau Christine. Zwischen überbordender Sorge um den gereizten Herrn Gatten Hofkapellmeister und hysterischen Eifersuchtsanfällen – trotz ihrer eigenen Betteskapade mit einem dann doch langweiligen, jungen Liebhaber – wirkt sie mitunter wie eine mordlüsterne Elektra aus Strauss‘ gleichnamiger Oper oder eine stadt-neurotische Feldmarschallin aus dem Rosenkavalier. Maria Bengtsson weiß die Gratwanderung zwischen anspruchsvollem Sprechgesang und den geforderten Gesangsbögen bewunderungswürdig zu vertreten und verlässt niemals den Pfad einer staubtrockenen Ironie, in der die Figur nicht zuletzt auch Opfer ihrer eigenen Charakterzüge wird.        

Den empfindlich-empfindsamen Hofkapellmeister Robert Storch verkörpert Philipp Jekal mit viel Spielfreude und gestresst-liebender Hingabe an seine anspruchsvoll-liebende Gattin. Gesanglich und darstellerisch ein Bravourstück. 

Der arme, etwas einfältige, aber umso herausforderndere Baron Lummer, der es immerhin mit der Frau Hofkapellmeisterin ins Bett schafft, wird von Thomas Blondelle mit Aplomb und Witz gegeben.

Die Kammerjungfer Anna von Anna Schoeck, das Notarehepaar von Nadine Secunde und Markus Brück seien beispielhaft für das weitere Ensemble hervorgehoben. 

Das Orchester der Deutschen Oper Berlin unter seinem Chef Donald Runnicles schwelgte im Graben und in der live-Bühnenübertragung mit feiner Brillanz und bewährte sich besonders in den üppigen Zwischenspielen, die nicht wenige Strauss-, Wagner- und weitere Klangzitate verarbeiteten – ein großer Hör- und Videospaß.

Das Publikum verausgabte sich schon während der Aufführung durch viele spontane Lachsalven und dankte allen Beteiligten mit lang-anhaltendem Applaus. Bravostürme für Maria Bengtsson, das Orchester der Deutschen Oper und in ganz besonders herzlicher Form für das Regie-Team. 

Achim Dombrowski

Copyright:  Monika Rittershaus

 

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