Jazz-Krimi von Kurt Weill an der Musikhochschule Hamburg

Xl_begleiter © Marc Matthaei

Der Zar lässt sich photographieren

(Kurt Weill)

Premiere am 31.Januar 2025

Hochschule für Musik und Theater Hamburg

Theaterakademie Hamburg

im Rahmen der Reihe junges forum Musik und Theater

Die Hochschule für Musik und Theater Hamburg bringt Kurt Weills 1928 komponierte, heute selten gespielte Oper Der Zar lässt sich photographieren  auf die Bretter. Es handelt sich um eine Krimi-Handlung mit viel slapstick-artigen Comic-Elementen. Georg Kaiser hat das effektvolle Libretto verfasst. Es ist die letzte durchkomponierte Oper Weills, der 1935 in die USA emigriert und mit Mischformen von Oper und Musical am Broadway erfolgreich wird.  

Ein Zar eines nicht bezeichneten Landes kündigt sich im Pariser Fotoatelier von Angèle an, um sich photographieren zu lassen. Im letzten Moment vor seiner Ankunft wird das Atelier plötzlich von drei Personen gewaltsam übernommen, die den Tyrannen-Zar töten wollen. Diese drei Eindringlinge doubeln gewissermaßen die Belegschaft es Ateliers, einschließlich ihrer Besitzerin Angèle. Die Pistole für das Attentat sitzt in der Kamera. Der Zar macht der falschen Angèle Liebes-Avancen. Er wirkt gar nicht so tyrannisch. Die Geheimpolizei schreitet ein. Die Kamera wird ausgelöst. 

Die komische Handlung reflektiert Kaleidoskop-artig menschliche Schwächen, Neigung zu politischer Gewalt, Gier, sexuellen Begierden. Die kompakte äußere Handlung wird dabei erstaunlich wortreich durch die Reflexionen der menschlichen Schwächen gesteuert. Insbesondere der Zar hat lange Textanteile zu bewältigen und in dem wechselndem Geschehen komisch-effektvoll zu platzieren.     

Die Regie von Sang-jin Han weiß mit viel Gespür den slapstick-Charakter des Stücks in den Griff zu kriegen. Da wabern Nebel wie in London beim Eintritt der schwarze Brillen tragenden Geheimpolizisten, die in gekonnt-ironisierender Choreographie auftreten. Der Zar ahnt in seiner Selbstgefälligkeit nichts von der Gefahr, in der er schwebt. Die Szenerie wird von der Lichtregie und Videokunst von Marc Matthaei atmosphärisch gekonnt unterstützt. 

Emilia Bongilaj hat eine aufwändige Bühne gestaltet. Das Atelier liegt in einem Kellerraum mit versteckten Türen und Ausgängen und weist einen separaten Raum zur Belichtung der Photos aus, der wiederum mit Lamellen abgetrennt werden kann, auf welchen wirkungsvolle Videoproduktionen erscheinen.  

Die Kostüme von Julia Radewald sind einfallsreich gestaltet, ein Pullover mit großem „Z“ auf der Brust für den Zaren wie beim Spider-Man; individuellere Kleider bei der echten und falschen Angèle, in ihrer Einheitlichkeit tendenziell ent-personifizierende, schwarze Anzüge und Mäntel für die Polizei.    

Maksymilian Skiba gibt einen vielschichtigen Zaren, der einerseits oft einfältig erscheint, dann aber auch wieder gewaltbereit, wenn die Situation es erfordert. Auf Liebesspiele aller Art wird dieser Zar – insbesondere in Paris - niemals verzichten. Skiba meistert die stimmlichen Hürden sowie die langen und komplexen Textanteile mit Bravour.

Die falsche Angèle wird durch die andauernden, unsteten Anforderungen des Zaren ziemlich in Trab gehalten. Julia Siegwart glänzt in Spiel und Gesang äußerst beweglich.   

Die (echte) Angèle gab Taylor Haines überzeugend und mit Spielfreude.  

Weitere Rollen boten insgesamt nicht weniger als sieben Mitwirkenden der Hochschule sehr variantenreiche Möglichkeiten, ihre Gesangs- und Darstellungsfähigkeiten auszuprobieren und zu erweitern – was alle auch mit viel Einsatz und Spielfreude genutzt haben.

Der Männerchor mit sieben Mitgliedern unter der Leitung von Paul Melissen singt oft aus dem Off; er trägt nicht unwesentlich zur unwirklich-ironischen Atmosphäre bei.

Das Orchester mit 14 Mitgliedern unter der Leitung von Dulguun Chinchuluun kann sein Können in einer großen Bandbreite von Herausforderungen unter Beweis stellen. Dazu gehören nicht wenige Instrumental-Solo Aufgaben, rhythmisch trickreiche Passagen und vor allem die immer wieder umfangreichen Jazzanteile der Partitur.

Die Zuschauer des gutbesuchten Forums der Musikhochschule gingen konzentriert mit und genossen den Opernkrimi sichtlich. Es gab viel Applaus für alle Beteiligten.

 

Achim Dombrowski

Copyright: Marc Matthaei

 

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