La Luna
Premiere und Uraufführung am 05.06. 2022
Staatsoper Hamburg
opera stabile
Der mehrfach ausgezeichnete italienische Komponist Lorenzo Romano erhielt im Jahr 2018 ein Stipendium der Claussen-Simon-Stiftung in Kooperation mit der Hamburgischen Staatsoper und dem Institut für kulturelle Innovationsforschung der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Die daraus entstandene Kammeroper konnte nunmehr in der kleinen Spielstätte des Haues der Hamburger Oper – der ‘opera stabile‘ - zur Uraufführung präsentiert werden.
Auslöser für die Idee des Werkes waren nicht zuletzt die Ambitionen von Jeff Bezos und Elon Musk, den Mond für touristische und andere kommerzielle Zwecke nutzbar zu machen, und zusammen mit der NASA in neuen Weltraumprogrammen zu erobern.
Romano bevorzugt einen kooperativen kreativen Prozess, in welchem er mit den Textdichtern, aber auch bereits dem Regisseur während des Kompositionsprozesses eng zusammenarbeitet. Dazu gehören bei diesem Werk die Librettisten Giuliano Bracci und Johannes Blum.
Entstanden ist ein vielschichtig-glitzerndes Kaleidoskop von Fantasien, Texten, Remixen, musikalischen Facetten und zeitgeschichtlichen Ereignissen um den Mond, welches in knapp 90 Minuten eine unfassbare Fülle von Philosophieansätzen, Texten, Romanen, Opernausschnitten und vieles mehr verarbeitet.
Hier nur einige der Urväter der vielschichtigen Gedankenwelt des Opus: Giordano Bruno, Galileo Galilei, Büchners Woyzeck und Bergs Oper Wozzeck mit dem fahlen Licht des Mondes bei Maries Ermordung. Weiter sind beteiligt: Jules Vernes Reisen zum Mond, Baron Münchhausen und Cyrano de Bergerac.
Aber auch zeitgeschichtliche und aktuelle Ereignisse werden in komplexer Weise verarbeitet: die Apollo 11-Mission mit der Landung auf dem Mond am 16. Juli 1969, anlässlich derer auch gleich die Gerüchte und Verschwörungstheorien integriert werden, wonach das Ereignis lediglich erfunden sei, also gewissermaßen alternative factsdarstellen.
Nicht zuletzt wird auf diesem Trip entlang einer gewaltigen Zeitachse auch in die Zukunft und deren Gefahren geblickt: mit den Unternehmungen von Bezos und Musk droht eine kommerziell basierte, neue Verwendung des Mondes: so z B für touristische Zwecke, oder ggf zur Gewinnung von neuen Energiequellen, die sich auf der Mondoberfläche oder in dessen innerer Struktur finden und ausbeuten lassen.
Diese Sichtweise beinhaltet auch die traurige, potentielle Aussicht, dass die Menschen womöglich auch einmal ihre Erde gar nicht mehr reparierenwollen, sondern sie einfach verlassen, ohne eine Blick zurückzuwerfen oder gar ihre physisch-biologische Determiniertheit auf der Erde einfach vergessen und auf den Mond auswandern könnten. Ganz so wie europäische Auswanderer in vorangegangenen Jahrhunderten ihre Heimat und deren feudale Strukturen hinter sich ließen.
Die Instrumentalbesetzung für das irisierende, spieltechnisch anspruchsvolle Klangbild besteht aus sechs erfahrenen Mitgliedern des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg mit Hoyle Chung, Violine, Markus Tollmann, Violoncello, Walter Keller, Flöte, Matthias Albrecht, Klarinette, Robert Jacob, Klavier sowie Elman Mecid an einem äußerst fantasie- und kunstvoll beherrschten Schlagapparat. Die Leitung hatte Rupert Burleigh.
Der Regisseur Ron Zimmering zusammen mit der Bühnenbildnerin Ute Radler, den Kostümen von Benjamin Burgunder, der Videokunst von Jonas Link sowie der Liveelektronik von Davide Gagliardi gelang in der szenischen Umsetzung eine zwischen allen Welten changierende irreal-reale, funkelnde und alle Sinne einnehmende Darstellung der sich in atemberaubendem Tempo entwickelnden Szenenfolge.
Die jungen Sänger gehören dem Internationalen Opernstudio der Staatsoper Hamburg an. Sie bestreiten in staunenswerter Wandlungsfähigkeit ihre in sekundenschnellem Wechsel vollzogenen, sehr unterschiedlichen Szenen: dazu gehören die Mezzosopranistin Kady Evanyshyn, die Tenöre Collin Andre‘ Schöning und Seungwoo Simon Yang, der Bariton Nicholas Mogg und der Bass Kim Kang. Das Ensemble wurde als Gäste durch die Sopranistin Pia Davila und die Schauspielerin Johanna Link abgerundet. Das Ensemble vermochte durch seine Spielfreude und seinen Einsatz eine niemals nachlassende Spannung aufrecht zu erhalten.
Dabei wäre die Vorstellung fast gescheitert: am Morgen des Aufführungstages musste sich ein weiterer Bariton corona-bedingt krank melden. In einer angesichts der ungewohnten musikalischen Fraktur fast tollkühnen Umbesetzung haben die Spielleiterin der Produktion Milena Galvan Odar auf der Bühne spielend sowie Hubert Kowalczyk aus dem Ensemble der Staatsoper von der Seite singend die Vorstellung überhaupt erst ermöglicht, und das mit höchster Bravour.
So konnte also nur der mutige Einsatz einer Frau und eines Mannes zusammen den Uraufführungsabend retten und das ewige Geheimnis, ob der Mond nun eher dem männlichen oder doch eher dem weiblichen Prinzip zuzurechnen sei, ist wieder nicht gelöst...
Es war viel Fachpublikum unter anderem aus der Komponistenszene bei dieser erfolgreichen Uraufführung anwesend und allen Beteiligten wurde mit lang anhaltendem Applaus gedankt. Der galt zum Schluss ganz vehement auch dem Komponisten Lorenzo Romano.
Achim Dombrowski
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28. Juni 2022 | Drucken
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