Lodernde Flamme in weiblicher Unterdrückung

Xl_la_fiamma_cl_231hf_golovneva © Monika Rittershaus

Deutsche Oper Berlin

La fiamma

(Ottorino Respighi)

Premiere am 29.9.2024

Besuchte Vorstellung am 18. Oktober 2024

Den Regisseur Christof Loy faszinieren gesellschaftlich verstoßene Frauenschicksale, speziell in Werken des frühen 20. Jahrhunderts. Schon mit Das Wunder der Heliane von Erich Korngold (2018) sowie Francesca da Rimini von Riccardo Zandonai (2021) sind ihm an der Deutschen Oper Berlin Umsetzungen wenig beachteter Werke mit außerordentlichem Erfolg gelungen. 

Der Komponist Ottorino Respighi (1879 – 1936) ist in Deutschland zunächst durch die virtuosen Tondichtungen seiner Rom-Trilogie bekannt: Fontane und Pini di Roma sowie Feste Romane. Er hat jedoch einschließlich seiner halb-szenischen Werke und Ballettkompositionen sogar mehr Bühnenwerke zur Aufführung gebracht als – zum Beispiel – Puccini.  

In seiner letzten Oper La Fiamma verlegt der Librettist Claudio Guastalla die auf dem Theaterstück Anne Pedersdotter basierende Handlung von Hans Wiers-Jenssens vom norwegisch-dänischen 16. Jahrhundert ins 7. Jahrhundert Italiens.

Silvana, die aus einfachen Verhältnissen stammende, zweite, deutlich jüngere Ehefrau Basilios, des ehemaligen Befehlshabers in Konstantinopel, wird von ihrer Schwiegermutter das Leben schwer gemacht. Es tauchen Gerüchte über Verstrickungen der Mutter Silvanas mit der als Hexe verbrannten Agnese di Cervia auf. Silvana besinnt sich auf die von der Mutter her verliehenen, für sie unentrinnbaren Liebes-Kräfte, als sie auf Donello, den strahlenden Sohn Basilios aus erster Ehe trifft, mit dem sie gemeinsam in eine unwiderstehliche Liebesbeziehung verfällt.  

Als der Ehebruch offenbar wird, schleudert sie ihrem Ehemann Basilio – zugleich der Vater ihres Geliebten – so heftig ihren seit jeher gegen seine Person bestehenden Ekel entgegen, dass dieser an einem Herzinfarkt verstirbt. Als Hexe angeklagt und von Donello allein gelassen, ist sie physisch und psychisch nicht mehr in der Lage, öffentlich dem Hexenglauben abzuschwören und endet auf dem Scheiterhaufen.     

Diese Handlungskonstellation ist für eine im katholisch-faschistischen Italien 1934 unter Teilnahme von Mussolini uraufgeführte Oper einigermaßen überraschend. 

Stilistisch umfasst die Musik eine Vielzahl von Elementen vom Neomadrigalismus zum orientalischen Klangspektrum, Spuren von Wagner und anderen Komponisten des 19. Jahrhunderts. Diese Stil-Vielfalt wird musikalisch mit einer sensualistischen Überwältigungsrhetorik und hoch aufgetürmten Orchesterfluten vermittelt, die den Zuhörer nachgerade überwältigt.    

Christoph Loy zusammen mit dem Bühnenbildner Herbert Murauer und den Kostümen von Barbara Drohsin konfrontieren dieses Hochdruck-Theater stilistisch mit einer strengen Bühnenoptik. Portal-hohe Holzpaneelen bewegen sich wie von einer undurchsichtigen Macht gelenkt geräuschlos über den gesamten Bühnenraum und verschließen immer wieder freie Ausblicke, die die Szene vereinzelt mit einem andeutungsweisen freien Blick auf die Natur nur schmerzhaft kurz gewährt. Strenge, schwarze Kostüme überwiegen.

Die Personenführung vollzieht sich – wie immer bei Loy - in präziser, nicht selten feingliedrig-nervöser Dynamik, die gleichwohl den Protagonisten bei den entscheidenden gesanglichen Höhepunkten ein individuelles Ausagieren auch großer Gesten zugesteht, ohne dass Stimmigkeit und stilistische Strenge relativiert werden.           

Die musikalische Umsetzung des Werkes erfordert größten Aufwand und stellt insbesondere an die Frauenstimmen allerhöchste Anforderungen. Das Sänger- und Chorensemble der Deutschen Oper Berlin erfüllt die ungeheuren Herausforderungen der Partitur gleichwohl glänzend und ohne Einschränkungen.  

Olesya Golovneva als Silvana ist das Zentrum der Aufführung. Ihre Gestaltungskraft, der geradezu unendlich Facettenreichtum ihres ausdrucksstarken und wandlungsfähigen Soprans, die gestische Souveränität sowie die ungeheure und niemals ermüdende Spannkraft ihrer Stimme tragen die Aufführung. Ein gewaltiger Erfolg für die Sängerin!     

Silvanas feindselige Schwiegermutter Eudossia wird von Martina Serafin stimmlich und darstellerisch durchdringend und bedrohlich gestaltet. Die Präsenz und Durchschlagskraft ihrer Stimme geben dem Rollenportrait einer emotional versteinerten Schwiegermutter die düstere Ausstrahlung.    

Der schließlich als Hexe verbrannten Agnese di Cervia gibt Doris Soffel eine stolze und unbeugsame, stimmlich voll überzeugende Personifizierung. Die mit viel Feuerzauber angedeutete Verbrennung vor dem Hintergrund einer aufgebrachten Menschenmenge lässt die Hexenverfolgung als Projektionsfläche einer aus den Fugen geratenen oder womöglich beeinflussbar gelenkten Massenhysterie hervortreten.      

Sua Jo schließlich gibt der Magd Monica, die zwischen dem Werben Donellos und der Verbannung durch Silvana einen verzweifelten Weg geht, ausdrucksstarkes Gewicht. Die stimmlich mit höchster Eindringlichkeit und so schonungslos wie makellos gesungene Rollendarstellung stellt einen Höhepunkt der Aufführung dar. Den gebannt lauschenden Zuhörern gerinnt für einen Moment das Blut in den Adern.      

Georgy Vasiliev kann seinen durchdringenden Tenor als Donello wirkungsvoll zur Geltung bringen und schwankt zwischen der Selbstgewissheit eines siegessicheren und vielseitigen Liebhabers und schwachen Charakters, der im Zweifel seiner Partnerin nicht zur Seite steht.      

Ein erschütterndes Rollenportrait gelingt nicht zuletzt Ivan Inverardi als Basilio, der von seiner jungen Frau verstoßen, sein Schicksal nicht versteht, nachdem er Silvana unverändert in Liebe zugetan ist. Sein samt-weicher, mit empathischer Strahlkraft ausgestatteter Bariton beklagt in sich gekehrt sein aussichtsloses Los. 

Auch die kleineren Partien, u.a der Exorzist von Patrick Guetti sowie der Bischof von Manuel Fuentes bewähren sich großartig.

Der Chor und Extrachor unter der Leitung von Jeremy Bines sowie Kinderchor unter Christian Lindhorst der Deutschen Oper Berlin beweisen ihr Können in großer Mannschaftsstärke. Ganz offensichtlich hat das Studium dieser unbekannten Partien auch viel Freude gemacht.   

Das Orchester der Deutschen Oper Berlin spielte unter der Leitung des Fachmanns für selten gespielte italienische Opernwerke Carlo Rizzi effektvoll, einerseits sorgfältig die Stimmen tragend und mit Gusto bei den großen, dramatischen und weit-ausholenden Melodiebögen.      

Angesichts der genannten stimmlichen und spieltechnischen Herausforderungen ist es nicht verwunderlich, dass das Werk in Deutschland nach der Erstaufführung 1936 an der Staatsoper Berlin erst jetzt mit dieser Produktion wieder auf die Bühne gekommen ist. 

Für die Deutsche Oper Berlin ist die Produktion ein Triumph. Das Publikum folgt der Dernière der Aufführungsserie mit lückenloser Aufmerksamkeit und feiert die Künstler frenetisch. Diese hätten anscheinend trotz der gewaltigen Kraftanstrengungen noch immer die Kraft für weitere Aufführungen gehabt.       

Achim Dombrowski

Copyright:  Monika Rittershaus

 

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