Manon an der Staatsoper Hamburg: Begeisternde, junge Sängerdarsteller endlich wieder live auf der Bühne

Xl_hso_manon_2021_c-brinkhoff-moegenburg_07 © Brinkhoff/Mögenburg

MANON
(Jules Massenet)

Premiere am 02.06.2021

Staatsoper Hamburg

Die Staatsoper Hamburg bietet nach langer Zeit wieder eine Neuproduktion von Massenets Manon mit hinreißend junger Sängerbesetzung   

Obgleich Massenets Manon in Paris 1884 uraufgeführte Opéra comique ihre deutsche Uraufführung 1892 in der Hansestadt erlebte, ist das Werk seltener Gast auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper. Die jetzt auf den Brettern der Oper vor Publikum gezeigte Neuproduktion hatte bereits früher in der Spielzeit eine erfolgreiche Online-Premiere, die sehr beachtet wurde.

Der auf Basis der 1731 von Abbé Prévost geschriebenen Romanvorlage – nicht nur von Puccini und Henze - vielfach vertonte Stoff erzählt die Geschichte der jungen Manon, die auf ihrer allerersten Reise mit dem dauerhaften Bestimmungsort eines Klosters ausbricht und in turbulenter Folge die Liebe ihres Lebens trifft, ihrer eigenen weltlichen Verführbarkeit erliegt und in ihren unausweichlichen Untergang taumelt.     

Der Regisseur David Bösch zusammen in seinem vertrauten Team mit Bühnenbildner Patrick Bannwart und Kostümbildner Falko Herold versteht es wiederum, die optisch fahle Atmosphäre eines fortwährend melancholisch-bedrückenden Alltags zu schaffen. Das gilt auch für die Flitterwelt der Festszenen. Die den Akten vorangestellten, kurzen Videosequenzen von Patrick Bannnwart und Falko Herold lockern das Ambiente nur kurzzeitig, aber wirkungsvoll auf. Sie kommen auf der großen Bühne der Hamburger Oper wirkungsvoller zur Geltung als in der Online-Version. Die Ausstattung greift dabei eine unbestimmt-heutige Anmutung auf.  

Vor diesem atmosphärisch ausweglosen Hintergrund erblüht dann eben nur ganz kurz der Hoffnungsfunke der Liebe, der jedoch sogleich wie eine verletzliche Sternschnuppe dem Untergang geweiht ist. Dieser Niedergang vollzieht sich unerbittlich: die lebenssüchtige und liebende Manon endet in einer Art selbstgewählten Liebestod durch Gift; ihr Cousin Lescaut spritzt sich mit Rauschgift in den Abgrund. Davor jedoch werden wir Zeuge einiger einfühlsamer, empathischer, ergreifender Begegnungen zwischen den Liebenden Manon und Des Grieux.  Lescaut gibt den halbstarken, gerne-großen Aufpasser, der jedoch angesichts seiner eigenen Abgelenktheit trotz seines fordernden Auftritts keine Kontrolle hat, nicht einmal über sich selbst. Ein stringentes Charakterbild der handelnden Personen wird nicht versucht. Es bleibt also offen, ob die Oper das überhaupt bietet.

Böschs sensible und detailgenaue Personenführung profitiert nicht zuletzt von der unverbrauchten Ausstrahlung der überragenden und außerordentlich glücklich zusammengeführten, hinreißend-jungen Sängerdarsteller.  Allen voran ist Elsa Dreisig eine ideale Manon. Mit einer hohen Wandlungsfähigkeit fiebert sie durch die verschiedenen Stadien ihres Erlebens in jugendlicher Frische und Abenteuerlust bis hin zum Liebes-Selbstmord durch Gift. Ihr Auftritt als unschuldige, lebenshungrige junge Frau ist anmutig berührend und bewegt stark. Stimmlich bleibt sie der langen und anspruchsvollen Partie trotz all ihrer Anforderungen nichts schuldig. Ihr mag helfen, dass sie die Partie schon zuvor in Zürich gesungen hat.

Der eher höher timbrierte, sensible Tenor von Ioan Hotea bewährt sich perfekt als ihr liebender, ebenso junger wie unerfahren-hingebungsvoller Liebhaber Des Grieux. Der ebenso junge Bariton Björn Bürger gibt einen außerordentlich spielfreudig-draufgängerischen, stimmlich flexiblen und rundum überzeugenden Lescaut, Cousin der Manon.   

Des Grieuxs Vater wird von Dimitry Ivashchenko überzeugend stimmlich und darstellerisch gegeben. Tahnee Biboro, Narea Son und Ida Aldrian runden das Ensemble der Darstellerinnen überzeugend ab.  

Allen Mitwirkenden ist die durch die kluge Personenführung und ihre Hingabe an ihre Aufgabe eine Beschränkung durch die Hygienemaßnahmen gar nicht anzumerken. Nicht auszudenken, wie intensive die Umsetzung erst ohne diese Einschränkungen wirken muss.  

Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg spielt unter der Leitung von Sébastien Rouland mit Verve und Engagement.    

Der Chor der Hamburgischen Staatsoper unter der Leitung von Eberhard Friedrich wird im Hygienekonzept der Produktion auf die Ränge verbannt, von wo aus er allerdings rhythmisch oft unglücklich agiert. 

Eine mit so jungen Sängern besetzte Umsetzung schreit nach dem Kontakt mit jungen Menschen, die vielleicht noch keine Berührung mit dieser Kunstform hatten. Wenn später, nach Wiederbelegungsmöglichkeit aller Plätze der Oper diese sich womöglich erst langsam wieder füllen werden, und vielleicht viele langjährige Abonnenten nicht mehr zurückkehren, wären Konzepte hilfreich, mit denen man mehr junge Menschen anspricht. 

Achim Dombrowski

Fotos: Brinkhoff/Mögenburg

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