Deutscher Dirigentenpreis 2021
Philharmonie Köln
Wettbewerb vom 18. Bis 23. Oktober 2021
Preisträgerkonzert am 23. Oktober 2021 (mit Preisverleihung)
Alle zwei Jahre wird vom Deutschen Musikrat in Köln der Deutsche Dirigentenpreis vergeben.
Der Deutsche Musikrat ist der Dachverband des Musiklebens in Deutschland. Seit 1953 engagiert er sich unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten mit über 100 Mitgliedsorganisationen für das Musikleben des Landes. Zu den Initiativen gehören das Bundesjugendorchester, die Vergabe einer Vielzahl von Stipendien, speziell die Förderung von jungen Komponistinnen und Komponisten sowie diverse Wettbewerbe, wie Jugend musiziert und der Deutsche Musikwettbewerb.
Beim Dirigentenpreis sind in diesem Jahr insgesamt 274 Bewerbungen aus 49 Ländern eingegangen. Das Online-Verfahren sieht die Einreichung von Videoeinspielungen vor. Eine 11-köpfige Jury unter dem Vorsitz des renommierten Dirigenten und ehemaligen Generalmusikdirektors der Oper Köln Markus Stenz bestimmt aus den Videos 10 Teilnehmer, die persönlich zu der Wettbewerbswoche zwischen dem 18. und 23. Oktober 2021 in Köln geladen werden. Weiterhin nehmen zwei Absolventen des Förderprogrammes des „Forum Dirigieren“ teil, die dort ebenfalls von einer Jury bestimmt wurden.
Es gibt viele Dirigentenwettbewerbe, was also ist das Besondere am Deutschen Dirigentenpreis? Wer hier dabei ist, nimmt gewissermaßen an drei hochkarätigen Veranstaltungen teil: er darf mit gleich zwei Spitzenorchestern arbeiten: dem WDR-Orchester für das sinfonische Programm und dem Gürzenich-Orchester für das Opernprogramm, und außerdem noch mit Mitgliedern des Ensembles und des Internationalen Opernstudios der Oper Köln. Mit dem Wettbewerb verbunden sind Dirigate und Assistenzen bei einer Reihe von Ensembles und Institutionen in Deutschland, ganz zu schweigen von der internationalen Aufmerksamkeit, die die Preisträger durch diese Plattform gewinnen.
Die Kandidaten müssen 33 Jahre und jünger sein. Sie sind keineswegs Anfänger. Neben der akademischen Ausbildung arbeiten die meisten Bewerber bereits mit Orchestervereinigungen und/oder Chören im In- oder Ausland. Beispielhaft sei hier der 26-jährige Finalist Aivis Greters aus Lettland genannt, der in seinem Heimatland bereits sehr jung mit der Leitung der in Lettland weitverbreiteten Chöre erste Erfahrung sammelte und in der Folge das Lettische Nationale Symphonieorchester, die Sinfonietta Riga und weitere einheimische Ensembles dirigiert hat.
In der Wettbewerbswoche wird eine umfangreiche Agenda absolviert: die zwölf Kandidaten müssen sich durch Dirigate im Opernrepertoire aus einer vorgegebenen Liste von schwierigen Szenen und Ensembles diverser Komponisten und Stile (Mozart, Bizet, Offenbach, Rihm) bewähren, ebenso bei den Sinfonien (von Haydn, Mozart, Beethoven, Mendelssohn, Schumann und Brahms). Weiterhin werden zeitgenössische Werke erarbeitet (Webern, Bertrand und Schönberg), wobei Webern Pflicht ist.
Drei Finalisten treten schließlich zum Abschlusskonzert mit folgendem Programm an:
Martijn Dendievel, Belgien, 26 Jahre: Ravel: Le tombeau de Couperin, und Mozart: Cosi fan tutte: Sextett “Alla bella Despinetta”
Hangyul Chung, Südkorea, 30 Jahre: Beethoven: Leonore Ouvertüre 3, und Bizet: Carmen „Schmugglerquintett“
Aivis Greters, Lettland, 26 Jahre: Brahms: Tragische Ouvertüre, und Offenbach: Hoffmanns Erzählungen Finale Antonia-Akt.
Der Präsident Deutscher Musikrat Professor Martin Maria Krüger weist im Preisträgerkonzert im Rahmen seiner Ansprache auf die Laufbahnwege der den Wettbewerb durchlaufenden Kandidaten der Vergangenheit hin, die nicht selten Generalmusikdirektoren an deuten Opernhäusern geworden sind. Die ebenfalls anwesende Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, Henriette Reker, ist stolz auf das in Köln immer funktionierende Zusammenwirken der Institutionen des Gürzenich-Orchesters, des WDR Sinfonieorchesters und des WDRs, welche durch die vielen internationalen Teilnehmer eine große Bereicherung erfahren. Der Wettbewerb soll unbedingt in Köln weiter beheimatet bleiben.
Der Leiter der Jury Markus Stenz erklärte mit begeisterten Worten den Findungsprozess bei dem Wettbewerb zwischen den Polen Persönlichkeit und Handwerk sowie der verbleibenden Unerklärbarkeit, bzw. der immer gegeben Subjektivität, die ein solches Vorhaben unweigerlich beinhaltet. Er findet auch persönlich zugewandte Worte und eine freudigen Wertschätzung für jeden einzelnen der drei Finalisten. Das Geheimnis, wie man es die Jury durchhält, sich 274 Bewerbervideos kritisch anzuschauen, hat er am Schluss freilich doch nicht preisgegeben.
Auf der Veranstaltung wurde zusätzlich auch ein Publikumspreis verliehen, zu dem jeder Konzertbesucher per Abstimmungskarte sein Votum abgibt. Das Ergebnis: den 1. Preis von € 15.000 erhält Martijn Dendievel, der 2. Preis (€ 10.000) geht an Aivis Greters und der 3. Preis (€ 5.000) plus Publikumspreis (€ 2.500) Hangyul Chung. Das ist für einen Wettbewerbsveranstalter ein glückliches Ergebnis, bei welchem der 1. Preisträger nicht alle Auszeichnungen auf sich vereint und deutlich wird, dass Publikumsgeschmack und Jury immer zwei verschiedene Perspektiven beinhalten.
Der Gewinner durfte dann noch mit dem Gürzenich-Orchester die Ouvertüre zu Der Fliegende Holländer musizieren. Die jungen Pultstars hätten glatt genug Feuer gehabt – die Orchester allemal - an dieser Stelle eventuell auch das Werk eines jungen, zeitgenössischen Komponisten aus den vielfältigen Förderaktivitäten der Deutschen Musikrates zur Uraufführung zu bringen.
Bei Interviews, die Opera Online mit Teilnehmern führen konnte, zeigt sich, wie früh die Kandidaten die Idee zu dirigieren zu ihrem Lebensziel gemacht haben: mit acht oder neun Jahren haben sie die Überzeugung entwickelt und nicht mehr davon abgelassen. Alle schätzen die außergewöhnliche Bandbreite des Wettbewerbs in Köln. Einer der Kandidaten hebt besonders auch die Arbeit mit dem Werk Weberns hervor. Er habe immer einen schwierigen Zugang dazu gehabt, aber durch die Erfahrung der Orchestermusiker („... die wissen Alles...“) jetzt eine ganz andere Beziehung zum Werk dieses Komponisten gewonnen.
Auch für die Zukunft gibt es Pläne: ein Mitglied jeden Orchesters solle doch immer einen Busführerschein machen, um mit dem Ensemble zu den Menschen auch außerhalb der Metropolen zu fahren, und Musik unkompliziert vor Ort zu präsentieren.
Beim Schlussapplaus beweist der 1. Preisträger, dass man eine solche Veranstaltung nicht als Wettbewerb gegeneinander sehen muss, indem er die beiden anderen Kandidaten proaktiv auf die Bühne holt, um sich gemeinsam beim Publikum und – noch mehr - bei den Musikern zu bedanken. Schließlich wollen alle drei Dirigenten das Musikleben der Zukunft bereichern, jeder an seinem Platz und womöglich in verschiedenen Ländern und vielleicht sind sie dabei auch Freunde geworden, die sich in Zukunft immer wieder begegnen und austauschen werden.
Inzwischen freuen sie sich auf die mit dem Wettbewerb verbundenen Engagements bei den Orchestern in Hof, München, Nürnberg, Heidelberg, Reutlingen und natürlich an der Oper Köln.
Wir werden von allen Beteiligten noch viel hören…
Achim Dombrowski
Copyright Heike Fischer
29. Oktober 2021 | Drucken
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