Richard Wagner Der Ring des Nibelungen konzertante Aufführung Dresdner Philharmonie
Kulturpalast Dresden
Siegfried 08.10.2022
Die Klangwelt des Siegfried, des dritten Abends von Richard Wagners Tetralogie Der Ring des Nibelungen ist für das Orchester durch einige Herausforderungen geprägt.
Da sind die ganz unterschiedlichen und kontrastierenden Klangwelten innerhalb des Werks und im Verhältnis zu den vorangegangenen Teilen des Ringes. Nachdem der Hörer im Das Rheingold und Die Walküre die Welt der Götter und die Nibelungenhöhlen durchschritten hat, befinden wir uns im ersten und zweiten Akt des Siegfried in den Tiefen undurchdringlicher Wälder, in denen das Sonnenlicht nur schwer durch die Baumriesen dringt und fahle Schatten und Höhlen die Welt von Fafner, Mime und Siegfried prägen. Darin entwickeln sich Mimes Angstphantasien ganz prächtig.
Gänzlich anders und gegensätzlich schließlich Siegfrieds Aufstieg auf den Brünnhilden-Felsen und die Erweckung der scheuen Walküre zur Frau im dritten Akt. Hier strahlt die Musik wie in gleißender Sonne und verarbeitet die ganz anderen Ängsten des geschlechtlichen Erwachens.
Hinzu kommt eine Veränderung in der musikalischen Struktur der Partitur mitten im zweiten Akt, als Wagner seinen Siegfried zunächst verließ, um Tristan und Isolde sowie die Meistersinger von Nürnberg zu erschaffen. Als er nach einigen Jahren zurückkehrte, brachte er die harmonische Weiterentwicklung seiner Kompositionstechnik auch in die Klangwelten seines noch unvollendeten Siegfried ein.
Die gewaltige Dimension und die immense Bandbreite dieses Klangspektrums meistert die Dresdner Philharmonie unter ihrem Chefdirigenten Marek Janowski erneut mit Bravour. Ebenso gelingt die Adjustierung der Klangbalance – auch zu den Sängern – im zweiten und dritten Akt in perfekter Weise.
Wo soll man beginnen? Die Qualität der Blechbläser des Orchesters – angeführt von den grandiosen Hörnern - ist atemberaubend. Um diese Musiker kann so mancher andere Klangkörper das Orchester beneiden. Die Holzbläser in ihrer Differenziertheit, sensiblen Farbgebung und ihrem spielfreudigen Einsatz überzeugen in jedem Moment. Es ist eine wahre Freude, den Musikern beim konzentrierten Spiel zuzusehen und gewissermaßen jeden einzelnen Ton entstehen zu sehen.
Die souveräne Gruppe der meisterhaften Cellisten sorgt immer wieder im Kern des Klangspektrum für eine sonore Grundierung des spezifisch Wagnerschen Klangs sowie facettenreiche Agogik der großen Entwicklungsbögen. Die Bässe fungieren auch als sensible und markante Rhythmusgeber.
Und wie schon im Rheingold und der Walküre zuvor entstehen so die großen musikalischen Steigerungen der Akte und die spezifische Klangbalance im überlegenen, intrikaten Zusammenspiel aller mitwirkenden Musiker, die im Siegfried zudem immer wieder auch Einblicke in Ebene des Unterbewussten eröffnet.
Catherine Fosters grandiose Leistung könnte nachgerade dazu verführen, das Opus gleich in Brünnhilde umzubenennen. Wieder weiß die erfahrene Sängerin in jeder Phrase, ja in jeder einzelnen Note, ihre große Stimme punktgenau und mit höchstem Bewusstsein für Inhalt und die gesanglichen Entwicklungslinien ihrer Rolle einzusetzen.
Egils Silins setzt in beeindruckender Weise seine Interpretation des Wotan fort. Dem Sängerdarsteller liegt besonders der introvertierte, schmerzhafte Ausdruck im Bewusstsein des herannahenden Untergangs der Götterwelt.
Die Tenöre Vincent Wolfsteiner als Siegfried und Jörg Schneider als Mime bestechen durch eine stupende Rollenerfahrung. Das Sängerensemble dieses Rings zeichnet sich auch dadurch aus, dass ausschließlich ausgeprägt gesangliche Stimmen zur Geltung kommen. Gerade in den sogenannten Charakterpartien – wie zum Beispiel Mime – überschreitet der Sängerdarsteller niemals die Grenze zum expressiven Sprechgesang oder Krächzen, wie dies in den extremen Stellen der Wagnerschen Dramatik zur Steigerung der Bühnenwirkung sonst gelegentlich ausgeprägt wird. Der Nachteil in dieser konzertanten Umsetzung ist dann aber bei den nicht unähnlichen Stimmlagen dieser beiden Protagonisten und ihrer großen Rollenbeiträge, dass sich – einmalig bei diesen Aufführungen – in der Wirkung eine gewisse Länge einstellt.
Jochen Schmeckenbecher hingegen kann in Ausdruck und Gestik seinem ausdrucksstarken Alberich erneut gewaltig Verhör verschaffen.
Wiebke Lehmkuhl gibt eine in der außerordentlichen Wärme ihrer Altstimme gegründete mütterlich-energische Tiefe, die selbst den in seiner Verzweiflung verschlossenen Göttervater ganz kurz Einhalt zu gebieten scheint und so etwas wie tröstende Fügung mit dem Fatum vermittelt.
Rúni Brattabergs tiefschwarz-gerundeter Bass als Fafner und Christina Landshamer mit silberhellem Sopran als Waldvogel portraitierten gewissermaßen die äußeren Pole der Partitur zwischen Nachtschwärze und Sonnenschein.
Achim Dombrowski, Hamburg
Copyright: Oliver Killig
14. Oktober 2022 | Drucken
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