Staatsoper Hamburg: Die stille clemenza des Titus

Xl_19_laclemenzaditito_c_hansjoergmichel_klein © Hans Jörg Michel

Hamburgische Staatsoper

La Clemenza di Tito

(Wolfgang Amadeus Mozart)

Premiere am 28. April 2024

Auch diese Neuinszenierung der aktuellen Spielzeit an der Staatsoper Hamburg musste umgeplant werden. Die ursprünglich vorgesehene Regisseurin Lydia Steier sagte aus privaten Gründen ab. Stattdessen beteiligte sich das Haus an einer Koproduktion mit dem Det Kongelige Teater Kopenhagen und Opéra de Monte-Carlo. 

Jetske Mijnssen - zusammen mit ihrem bewährten Bühnenbildner Ben Baur - konnte nunmehr Mozarts keinesfalls leichtes Spätwerk auch in Hamburg präsentieren. Mozart greift durch dieses Auftragswerk 1791 zu den Krönungsfeierlichkeiten von Leopold II. von Böhmen auf das alte, konzeptionell statische Räderwerk der Metastasio’schen opera seria zurück – geradezu unfassbar nach der Erstürmung des Gipfels (Ulrich Schreiber) der drei da Ponte Opern, die die Gattung im Hinblick auf Ensemblekunst und Psychologisierung des musikalischen Ausdrucks in ganz andere Sphären katapultiert hatte.  Die musikalische Qualität der in das Korsett der opera seria geketteten Form bleibt freilich auf dem Niveau des hochentwickelten Spätwerks von Mozart – weshalb man sich immer wieder dem Werk zuwendet.    

Mijnssens Regie fußt auf einer ausgeklügelten inner-psychologischen Sichtweise der handelnden Charaktere, die sich in feiner Personenführung, bei der jedes Standbein der Sänger austariert erscheint, über die vier Handlungsabschnitte DELIZIA (Freude) – POTENZA (Macht) – TRADIMENTO (Verrat) – CLEMENZA (Milde) entwickelt.

Die Handlungsmomente sind sinnfällig, nachvollziehbar und bringen schließlich annähernd erwartbar auch noch einen durch alle Beteiligten neu zu pflanzenden Baum auf die Bühne. Auch der ganz zum Schluss im stummen Bild urplötzlich mit einer auf sich selbst gerichteten Pistole agierende Tito mag gar nicht besonders überraschen. Im Angelsächsischen würde man ‚predictable‘ sagen. Der Chor tritt brav auf, wenn er benötigt wird, und geht dann halt wieder.   

Ben Bauer bringt seinen in klassischem Maß wie erst kürzlich sehr vergleichbar in Roberto Devereux in Amsterdam präsentierten Bühnenraum zur Geltung, in feinen Abstufungen über den Abend ausgeleuchtet durch die Lichtkunst von Bernd Purkrabek. 

Die musikalische Seite brillierte weitestgehend. Auf Adam Fischers Mozart ist in Hamburg Verlass.  

Grandios die Leistung von Michèle Losier als Sesto. Keine Koloratur zu schwer, keine Darstellung des inneren Spannungsverhältnisses im stimmlichen Gesangsbogen zu komplex für diese phantastische Sängerin.  

Die Vitellia der Tara Erraught erschien anfangs fast ein wenig unausgewogen und laut, fand jedoch stimmlich im weiteren Verlauf zu einer wunderbar ausgewogenen Darstellung der Partie. Darstellerisch folgte sie der zurückhaltenden Geste der Regisseurin, die abgründigen, machtgierigen und skrupellosen Charaktereigenschaften musste der Zuhörer ganz aus dem Gesang heraus lesen.    

Der Annio des Countertenor Kangmin Justin Kim lieferte eine glanzvolle Gesangsleistung.    

Bernard Richter als Tito war in dieser schwierigen Partie trotz einer eindrucksvollen Leistung immer wieder von Unsicherheiten in der Intonation belastet, welche ihn auch darstellerisch ganz offensichtlich hemmten.  

Eine Luxusbesetzung für die Rolle der Servilia wusste Katharina Konradi zu präsentieren. Mit ihrer natürlichen Erscheinung und ihrer wunderbar sicher geführten, weichen Stimme und stupenden Stimmführung war sie die Personifizierung des einzigen, immerwährend  unverdorbenen Charakters der Handlung. 

Publio von Han Kim rundete das Ensemble gut ab.

Chor der Staatsoper Hamburg unter der Leitung von Eberhard Friedrich sang einen feinen und wohl austarierten Mozart und das Philharmonisches Staatsorchester Hamburg unter Adam Fischer glänzte leicht erhöht im Graben positioniert mit einem feinsinnigen, durchsichtig-schönen Klangbild, die die Leuchtkraft des späten Mozart glänzend ins Licht bzw. Gehör rückte. Die in der Partitur so wichtigen Klarinetten wurden von Alexander Bachl und Matthias Albrecht meisterhaft gespielt.  

Einhelliger und langanhaltender Applaus für alle Beteiligten bei einem Publikum, das einen rundum glücklichen Abend verleben konnte, ganz ohne so vielleicht störend empfundenes, experimentelles Musiktheater. 

Achim Dombrowski

 

Copyright Fotos: Hans Jörg Michel

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