Staatsoper Hamburg: Donizetti Erstaufführung mit königlicher Belcanto-Kunst

Xl_17_hso_maria_stuarda_c_brinkhoff-moegenburg © Brinkhoff/Mögenburg

Hamburgische Staatsoper

Maria Stuarda

(Gaetano Donizetti)

Premiere am 16. März 2025

Erstaufführung der Oper an der Hamburgischen Staatsoper

Donizettis Oper Maria Stuarda wurde von Anbeginn und in verschiedenen Bearbeitungen von der Zensur kritisch beobachtet und verboten. Nach 1865 wurde das Werk fast 100 Jahre nicht mehr gespielt. Nachdem in Schweden unerwartet das verloren geglaubte Autograph wiedergefunden wurde, erschien 1991 eine kritische Neuausgabe. Heute ist Maria Stuarda eine häufig gespielte Seria-Oper Donizettis, die die Formschemata des Genres überwindet und auf den mittleren Verdi verweist. 

Jetzt ist das Werk zum ersten Male in der Hamburgischen Staatsoper zu sehen. Die Regie verantwortet Karin Beier, die erfolgreiche Intendantin des Deutschen Schauspielhauses Hamburg. Beier inszeniert damit nach Schostkowitsch’s Nase zum zweiten Male am Haus an der Dammtorstraße.  

Die Regisseurin und ihr Team fasziniert nicht zuletzt das – bis heute - schwierige  Bild der Frau als Herrscherin. Frauen – anders als männliche Könige – stehen unter besonderer Beobachtung oder unausgesetzter Einflussnahme von Männern, soweit ihnen der Herrschaftsanspruch nicht ohnehin gänzlich aberkannt wird. 

Beier nimmt die aus dem Mittelalter stammende Zwei-Körper-Theorie, um mit bis zu fünf weiblichen Königinnen-Doubles auf der Szene zu arbeiten. In dieser Theorie ist der Herrscherin zunächst ein politischer Körper gegeben, der königlich, unsterblich und – unter Umständen - männlich imaginiert ist, aber parallel dazu verfügt sie zugleich über einen biologischen Körper mit all seinen Sehnsüchten, Schwächen und seiner Zeitlichkeit. 

Dieser Schritt erlaubt die Sichtbarmachung des inszenierten herrschaftlich-öffentlichen Auftritts wie auch einer individuellen – leidenden - privaten Person. In den privaten Ansichten werden die Ängste, Albträume der Frauen oder andere surreale Bilder sichtbar gemacht. Diese Spiel-Choreographie verbleibt dabei stets in strikt-strengem Format, welches der Musik niemals den Vortritt nimmt. Im Gegenteil: Akzente der Musik, insbesondere auch der Koloraturkunst - erhalten eine ganz andere bildliche Unterstützung, werden gewissermaßen glaubwürdig hinterfragt und beleuchtet. 

Obwohl die Gesangsprotagonistinnen oft in gleichsam herrschaftlicher Haltung im Vordergrund verbleiben, zeigt die Auffächerung der Szene in Bild und Spiel von bis zu fünf Doubles eine weitgespannte, emotionale Welt der Frauen, die eine Sängerin allein - schon vor dem Hintergrund der außerordentlichen Schwierigkeiten der Gesangspartien - kaum je angemessen ausspielen könnte. Zugleich wird der Eindruck, dass Sänger mit anspruchsvollen stimmlichen Herausforderung gern unbeweglich an der Bühnenrampe verbleiben mit einem intelligenten szenischen Konzept vermieden.    

Das Bühnenbild von Amber Vandenhoeck belässt die Szenerie dabei in einer kerkerhaften Umgebung mit Sehschlitzen an den Seiten wie in einer Gefängniszelle. Die Kostüme von Eva Dessecker changieren in Welten wie aus Darstellungen des 16. Jahrhunderts. Die Maske verwandelt beide Königinnen in lebende Abbilder ihrer historischen Gemälde-Portraits mit hoher Stirn und stilisiertem Haargeflecht und -schmuck.  

Die Videoaufnahmen von Severin Renke zitieren zunächst ebenfalls die Darstellungen der zeitgenössischen königlichen Portrait-Malerei, greifen sodann Einblicke in die seelischen Abgründe von Kerkerhaft, Demütigung und Reminiszenzen an blutige Gewalttaten auf. 

Großartig ist die handwerklich so überzeugend wie unauffällig ineinander greifende Wirkung aller Bild- und Regiekomponenten, die eine tief gestaffelte psychologische Bild- und Schauspielwelt hervorbringt. Gleichzeitig verlangt sie den Sängerinnen nur in Ausnahmesituationen extremere Körperhaltungen ab, so dass sie die gewaltigen stimmlichen Anforderungen der Partien leisten können.

Die Hamburger Oper hat dazu zwei grandiose, dabei stimmlich durchaus unterschiedliche Künstlerinnen aufzubieten: die Titelpartie wird von Ermonela Jaho vertreten, die mit Schwerpunkt im zweiten Akt all ihre fulminanten fein-abgestuften Koloraturkünste aussingt, gewissermaßen zur Stimme geronnene romantische Todessehnsucht.    

Nicht minder überzeugend die Elisabetta von Barno Ismatullaeva. Die junge Sängerin hatte vor zwei Jahren in Hamburg eine nicht vergessene, grandiose Norma verkörpert. Die Elisabetta vermag sie jetzt mit dem ganzen Spektrum einer kalt kalkulierenden Herrscherin sowie aber auch den Verletzlichkeiten einer fühlenden Frau darzustellen. Einen Höhepunkt erreicht die Aufführung bei der emotional aufreibenden Begegnung der beiden Königinnen zum Ende des ersten Aktes. 

Long Long als Roberto, Graf von Leisester ist ein stählern-strahlender Belcanto-Tenor erster Güte, der zwischen den übergroßen Frauen-Charakteren agiert.

Alexander Roslavets und Gezim Myshketa als Talbot und Cecil werden ihren Partien als männliche Ratgeber und Einflussnehmer beeindruckend gerecht.  

Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg mit Antonino Fogliani beweist, dass es auch im Belcanto zuhause sein kann. Es meistert die vielschichtigen Farbabstufungen mit der so wichtigen, federnden Taktgebung mit souveräner, delikater Akkuratesse.   

Die Hamburger Oper hat mit dieser Produktion gegen Ende der aktuellen Intendanz eine überzeugende und bewegende Neuinszenierung einer bedeutenden Belcanto-Oper im Repertoire – ein Genre, das in Hamburg bisher nicht gerade heimisch ist.  

Einhellige Begeisterung im Publikum mit langanhaltendem Beifall und vielen bravi-Rufen für die Gesangsprotagonisten, insbesondere für die beiden Königinnen Ermonela Jaho und Barno Ismatullaeva, ebenso für das Staatsorchester mit Antonino Fogliani. Großer, ungeteilter Zuspruch auch für das gesamte Regieteam.    

Achim Dombrowski

Copyright Fotos: Brinkhoff/Mögenburg

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