Al Bustan International Festival Klassiktradition im Morgenland

Xl_img_1173 © Helmut Pitsch
Hoch thront über der libanesischen Hauptstadt mit prachtvollem Panorama auf die Stadt das klassische Luxushotel Al Bustan. Vor über hundert Jahren ist es als Grand Hotel für die Ruhe und Entspannung suchenden Gäste in dem Luftkurort Beit Meri gebaut worden. Die Wirren des kräftezehrenden Bürgerkrieges hat es weitestgehend schmerzlos überstanden. Die Schrecken des über 20 Jahre wütenden Krieges und die kulturelle Verwüstung zu überwinden veranlassten die charismatische Frau des Besitzers Mme Myrna Bustani 1994 ein Internationales Festival für Musik und Bühnenkunst ins Leben zu rufen. Mit viel Einsatz und Sachkenntnis hat sie dieses Festival zur größten Kulturveranstaltung im mittleren Osten ausgebaut. Alljährlich finden Konzerte und semikonzertante Opernaufführungen von Ende Februar bis Ende März im extra ausgebauten und akustisch bestens gestalteten hoteleigenen Konzertsaal sowie an verschiedenen Orten im Land statt. Sowohl libanesische aber insbesondere international renommierte Künstler treten auf und befeuern das kulturinteressierte heimische Publikum zumeist aus der christlichen Oberschicht. 450 Zuhörer finden Platz im Auditorium und der rare ausländische Besucher erlebt einen Blick auf die elegante und kulturaffine libanesische Gesellschaft, die nahezu wie zu einem Familientreffen zusammenzukommen scheint und mit grosser Begeisterung und Stolz an den Ereignissen teilnimmt. Crescendo lautet das diesjährige Leitmotiv der Festspiele und dahinter verbirgt sich eine Feier der italienischen Musik von Monteverdi bis Verdi. Kammermusik, Solistenkonzerte, Orchesterkonzerte und sakrale Musik findet sich im Programm. Die Violinkonzerte von Paganini und eine konzertante Aufführung von La Traviata bilden Höhepunkte, sowie das Abschlusskonzert, eine Gegenüberstellung der Vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi und Astor Piazzola. 1725 veröffentlichte Antonio Vivaldi seine Violinkonzerte thematisch an die vier Jahreszeiten angelehnt, ein Experiment, das zu seinem bekanntesten und erfolgreichsten Werk werden sollte. Naturstimmungen werden aus den Jahreszeiten aufgegriffen und in barocker Pracht und Fülle musikalisch gezeichnet. Tierstimmen, Gewitter und Wind aber auch Tänze finden sich in den Bildern wieder. Der Argentinier Astor Piazzolla ist der grosse Meister des modernen Tangos und führt diesen in die klassische Musik ein. Seine Kompositionen bringen das Feuer und die Emotionen seiner Heimat elektrisierend zum Ausdruck. Der Rhythmus und die Farbe der Tangomusik sind unverkennbare Merkmale seiner Kompositionen. 1968 schuf er seine Vier Jahreszeiten für Klavier solo und arrangierte diese später für sein Orchester. Inhaltlich geben sie weniger Naturstimmungen wieder als die berühmte Vorlage Vivaldis, dafür gestaltet er spritzig und dicht lateinamerikanische Folklore mit gross angelegter gefühlvoller Tanzmusik, verschiedene Themen des italienischen Meisters aufgreifend. Das Accademia Teatro alla Scala Orchestra, ein Klangkörper des Nachwuchses des Orchesters des Mailänder Opernhauses ist Gast des Al Bustan Festivals und interpretiert die beiden Werke in direkter Gegenüberstellung der jeweiligen Jahreszeiten. Francesco Manara, erster Geiger beim Opernorchester in Mailand führt das Orchester und spielt den Solopart. Routiniert und mit vielen Preisen ausgezeichnet demonstriert er sein Können unaufdringlich. Klar und rein setzt er die Töne an, sein Strich gleitet weich über die Seiten seines warm und satt klingenden Instrumentes aus der Werkstatt des berühmten Geigenbauers Amati aus 1665. Nicht nur facettenreicher Barock mit solistischer Akrobatik, sondern auch die gefühlvolle intensiv auf wechselvolle Rhythmik ausgelegte moderne Tangomusik kann er gestalten und mit dem Orchester zum Schwingen bringen. Nicht verwunderlich, dass das Publikum sich weitere Werke des Argentiniers als Zugabe wünscht. Die jungen Nachwuchsmusiker folgen ihrem Konzertmeister mit Verve und Freude. Celli und Bratschisoli gelingen berührend und im Tutti rauscht es nur so von der Bühne in den Saal. Argentinien hat viel italienisches Blut in den Zeiten der Emigration aufgenommen, diese Verbindung ist an diesem Abend spürbar. Ein gezündetes Feuerwerk am Ende des Konzertes auf der Bühne macht dieses gefühlte Feuerwerk bildlich. Mit viel Begeisterung verabschiedet das Publikum die Künstler und die Freude auf das nächste Festival 2020 zu Ehren Beethoven kommt zum Ausdruck, bevor es wieder in den nüchternen noch von den Wunden des Krieges geprägten Alltag geht. Libanon ist unverändert ein Land der Konflikte, ein Land, das die meisten Flüchtlinge im Bezug zu seiner Bevölkerung aufgenommen hat und in der friedlichen Koexistenz von 70 Religionen ein Vorbild werden könnte. Dr. Helmut Pitsch | Drucken

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