
Festival Panistico Teatro San Carlo Neapel 22.April 2023
Alexandre Kantorow zaubert auf den Tasten und erobert Neapel
Mir 22 Jahren gewann der Franzose Alexandre Kantorow mit britischen Wurzeln den Tschaikowski Wettbewerb 2019. Die Jury und Presse sprach von einer Reinkarnation Liszts bei seinem technisch perfekten und farbenreich kraftvollen Spiel. Seither tritt er mit den besten Orchestern und den großen Dirigenten in den bedeutensten Konzerthäusern der Welt auf. Aber auch die Kammermusik liegt ihm am Herzen und gemeinsam mit Künstlerkollegen verantwortet er ein Festival in Nimes. Seine Soloabende sind eine eindrucksvolle Demonstration seiner Begabung und seines Könnens.
Sein Auftritt beim renommierten Piano Festival des Teatro San Carlo reiht sich hier natürlich in seine Karriereentwicklung. Geschickt verbindet seine Programmauswahl anspruchsvoller Werke der Klavierliteratur mit dramatischen Tastenzauber und lyrischer Ausdruckskraft. Zu Beginn steht Johannes Brahms Sonate Nr 1 G Dur op 1. Hier ist der rebellische junge Komponist in Aufbruchsstimmung. Immer wieder wechseln Gefühlsausbrüche mit romantischen Emotionen in breiten Harmonien. Kraftvoll ist der Anschlag des Franzosen und auch im sportlichen Tempo präzis und abgestimmt in Gefühl.
Ausdruckstark und farbenreich widmet er sich Franz Liszt und dessen Transkriptionen von 12 Lieder von Franz Schubert. Liszt feierte selbst mit diesen Werken große Erfolge in Wien und eröffnete eine Entdeckung des in Vergessenheit geratenen früh verstorbenen Komponisten. Die Lieder verarbeiten unterschiedliche Gedichtvorlagen, die Transkriptionen Liszts verstärken in anspruchsvoller Weise noch die darin ausgedrückten Stimmungen, Emotionen und Regungen. Ein wahrer Drahrseilakt für den Pianisten zwischen Technik und Ausdruck, den der junge Franzose scheinbar mühelos in tiefer Konzentration meistert. Dabei bleibt sein Tempo und Anschlag frisch, packend und leicht. Zu Franz Schubert kehrt im letzten Werk des Abends zurück, der Fantasie in G-Dur DV 760. Diese wird weitläufig als Wanderer-Fantasie geführt, nach einer literarischen Vorlage von Schmidt von Lübeck. Hier treten wir in die frühe Romantik ein und erleben mit Kantorow luftige Naturstimmung in munterer Laune. Die vier Sätze gehen in einander über und stehen noch in der Sonatenform. Um ein zentrales Motiv leitet sich die Komposition und der Pianist eröffnet ein breites Klangspektrum und nimmt die Zuhörer auf seine Wanderschaft mit.
Mit mehreren Zugaben bedankt sich der Künstler beim begeisterten Publikum. Bei der abschließenden Transkription über Wolfgang Amadeus Mozarts Alla turca, feurig artistisch mit unglaublicher Sprühkraft zum Besten gegeben, reisst er das Publikum von den Sitzen und zum Mitklatschen hin. Neapel hat der sympathische zurückhaltende Franzose im Sturm erobert
Dr. Helmut Pitsch
25. April 2023 | Drucken
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