Amsterdam - Belcanto zur höchsten Freude

© Ben van Duin

Gaetano Donizetti Roberto Devereux De Nationale Opera Amsterdam 2.5.2024 

Amsterdam - Belcanto zur höchsten Freude 

Roberto Devereux ist die letzte Neuinszenierung aus Gaetano Donizettis Tudor Trilogie an der Nationalen Oper in Amsterdam. Nach Maria Stuarda 2023 und Anna Bolena 2022 verfrachtet diesmal Jetske Mijnssen die Handlung in ein modernes realistisches Umfeld. In gewohnt ästetischen Bühnenbildern von Ben Baur kann der Zuschauer die gescheiterte Liebesgeschichte der legendären englischen Königin Elisabeth I aus dem 16. Jahrhundert erleben. Zu Beginn im feinen Boudoir mit Bett und Stilmöbeln elegant eingerichtet, danach die erdrückend große leere Ratshalle, die die Einsamkeit der Herrscherin unterstreicht. Die Kostüme von Klaus Bruns sind dezent elegant, in gedeckten Farben, die Herren in grauen Anzügen.

Musikalisch entwickelt sich Donizetti in Roberto Devereux von Belcanto zur Romantik und wird zur Brücke zu Verdi. Das Orchester nimmt mehr Platz ein, die Arien sind breiter und weicher, mit weniger Koloratur sondern mit mehr Ausdruck, aber in keiner Weise weniger anspruchsvoll für die Sänger und Sängerinnen. Diesen Anspruch erfüllt das von der holländischen Oper ausgewählte internationale Ensemble. Allen voran besticht Barno Ismatullaeva als leidvolle Elisabetta. Der Usbekin gelingt es, die zwischen Liebe und Eifersucht, verletzliche Geliebte und unerbitterliche Herrscherin Schwebende überzeugend darzustellen. Ihre Stimme gleitet leicht und sicher bis in die Höhen, ist fassettenreich ohne in der Tiefe abzudunkeln. Anmutig wirken ihre Piani, rein und ehrlich nimmt sie Volumen auf. Den abtrünnigen Geliebten Roberto Devereux mimt Ismael Jordi mit zaghaft heldenhafter wie ehrenhaft männlicher Haltung. Mit Strahlkraft und sicheren Spitzentönen trägt seine Tenorstimme maßgeblich zum Rollenbild bei. Angela Brower ist eine schüchterne königliche Freundin, sittsame Gattin und impulsiv Verliebte, zerrissen in den Gefühlen von Treue und Liebe. Ihre Duchesse Nottingham gelingt mit vielen Farben in ihrem lyrischen Mezzo, der auch in den Höhen weich und locker durchschimmert. Nikolai Zemlianskikh muss als Duca di Nottingham eine Umkehr der Gefühle vermitteln, vom treuen Freund und Diener der Krone zum gehörnten Ehemann und vom besten Freund verraten. Mit jugendlicher Energie wird er vom Staatsmann zum unbeherrscht Rächenden. Seine kräftige Stimme steht ihm gut im Ausdruck zur Seite.

Eindrucksvoll gelingt es Enrique Mazzola im Graben die Sänger zu höchsten Leistungen zu führen und zu unterstützen. Dabei bleibt der Orchesterklang immer transparent und spannend. Das Orchester ist bestens vorbereitet und die Instrumentalsolisten des Nederlands Kamerorkest verschmelzen mit den Partnern auf der Bühne.

Ein großer Belcanto Abend wird mit stehenden Ovationen vom Publikum gefeiert.

Dr. Helmut Pitsch