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Liederabend Anna Netrebko Teatro de la Maestranza Sevilla 14.2.2025
Anna Netrebko - große Stimme und Momente in Sevilla
1986 entschied Sevilla, das politische und wirtschaftliche Zentrum Andalusiens, der südlichen Provinz Spaniens, das erste Opernhaus der Stadt zu errichten. Den Architekturwettbewerb gewannen Aurelio del Pozo und Luis Marin. 1988 wurde im Planungsprozess angesichts der Weltausstellung Expo 92 eine Vergrößerung des Hauses entschieden. 1991 fand die feierliche Eröffnung unter Mitwirkung der großen spanischen Opernstars wie Montserrat Caballe, Teresa Berganza, Alfredo Kraus und Placido Domingo statt. Nunmehr zählt das moderne Opernhaus zu den bedeutendsten Spielstätten der iberischen Halbinsel.
Für ihr Debüt gestaltet die Starsopranisten Anna Netrebko einen breitgefächerten Liederabend, den sie in vier Teile mit je einem eigenen Leitgedanken aufteilt. Zu Beginn entführt sie unter dem Titel im Wald in Naturstimmungen mit Liedern ihrer russischen Heimat von Piotr Ilitsch Tschaikowski, Sergej Rachmaninov und Nikolaj Rimski Korsakov, die Intimität und zarte Gefühle ausdrücken. Passend erscheint sie auf der Bühne in einem sommerlich frischem grünem Abendkleid vor dem dunklen Parravan, auf den die Technik belaubte Äste projeziert.
Ganz die Bühnenfrau weiß sie sich mit wenigen Gesten ausdrucksstark in Szene zu setzen. Dabei nutzt sie die gesamte Bühne, nimmt Kontakt mit dem grossen Zuschauerraum auf. Dann wieder lehnt sie sehnsüchtig am Parravant und wie in Gedanken verloren strömen die Worte und Melodien intim wie von selbst aus ihr heraus. Wunderbar samten legt sich ihre warme Stimme auf die elegischen Harmonien, nuanciert feilt sie gefühlt an jedem Wort, versucht musikalisch dem Publikum eine Übersetzung zu liefern. Sie singt verklärt von Abschied, erwartungsvoll von Hoffnung und Freude. Markant ist ihre sichere volle Tiefe geworden, die abgedunkelt den Raum mystisch füllen kann. Mit der Arie der Nedda aus Ruggiero Leoncavallos I Pagliacci betritt sie eindrucksvoll die Oper.
Begleitet wird sie von Pavel Nebolsin gut abgestimmt am Klavier. Zu Beginn des zweiten Teiles Im Fluss genannt hat er Gelegenheit als Solist seine Könnerschaft zu belegen. Étincelles, op. 36, no. 6 von Moritz Moszkowski (1854-1925) eignet sich als ein ansprechendes in sehr flotten Tempo gehaltenes Bravourstück pianistischer Technik gepaart mit spielerischer Interpretation. In Nikolái Rimski-Kórsakovs Liedern „in den Hügeln Georgiens“ und „La Ninfa“ wendet sich Netrebko locker mit weiblicher Lockerheit dem Pianisten als imagimären Adressaten zu und beflügelt diesen zu einer gehaltvollen Begleitung.
Als Gast hat sie Elena Maximova eingeladen. Mit der Mezzosopranistin gestaltet sie innig ineinanderfliessend das Blumenduett aus Lakmé von Léo Delibes (1836-1891). Das Publikum gerät aus dem Häuschen und unterbricht mit einem Jubelsturm den Vortrag.
Nach der Pause erlebt das ausverkaufte Haus unter dem Titel Im Palast große Opernarien. Dazu erscheint Netrebko nun in einem feuerroten Kleid im Stil dem Flamenco nachempfunden zur Freude des Publikums die die Hommage mit Ole Rufen anerkennen. Nach Francesco Cilea und Nikolái Rimski-Kórsakov ist die Arie der Ariadne „Es gibt ein Reich“ aus Richard Strauss Ariadne auf Naxos, Op. 60, besonders interessant und spannend. Diese Rolle hat sie neu einstudiert, das Rollendebüt an der Wiener Staatsoper im Januar dieses Jahres hatte sie abgesagt. Nun zeigt sie sich in Sevilla auch als intonationssichere und sehr wortdeutliche Straussinterpretin. Mühelos bewältigt sie die fordernden Sprünge und bleibt klar und silbern in der Spitze. Sie wirkt lebendig frisch auch im Spiel. Ebenso überzeugt sie im später folgenden Ständchen desselben Komponisten. Große Dramatik vermittelt der wandlungsfähige Star als Julia in zwei Arien aus Vincenzo Bellinis I Capuleti e i Montecchi.
Im Abschlusspart Unterm Fenster genannt glänzt nochmals Pavel Nebolsin am Klavier mit der Fantaisie-Impromptu in cis moll op.posth. 66. von Frédéric Chopin. Kurz vor Ende des offiziellen Programms kehrt Elena Maximova für zwei Duette aus Krieg und Frieden von Serguéi Prokófiev zurück. Wieder erfreuen die beiden Sängerinnen in ihrer harmonischen freundschaftlich geprägten Verbundenheit.
Nach der Darbietung eines weiteren Liedes von Nikolái Rimski-Kórsakov „Traum einer Sommernacht“ bricht großer Jubel aus, viele Ehrbekundungen auch in russisch werden der anmutig winkenden Sängerin zugerufen. Leider dankt sie der freudigen Begeisterung mit nur einer Zugabe, „Non ti scordar“ von Ernesto de Curtis.
Dr. Helmut Pitsch
17. Februar 2025 | Drucken
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