Barocke Klangwelt mit Gefühl und Päzision in München

Xl_eeecca3e-9f31-47b6-8539-0c2834a23590 ©BR/ Astrid Ackermann

Johann Sebastian Bach Kantaten BRSO Hip Prinzregententheater München 9.2.2025

Barocke Klangwelt mit Gefühl und Päzision in München

Im Herbst 2023 übernahm Sir Simon Rattle die Leitung des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Der Brite verantwortet ein breites Konzertprogramm und gilt als Spezialist für zeitgenössische Musik. Aber er ist auch ein großer Anhänger der Barockmusik und führte so eine neue Konzertreihe unter dem Titel BRSO Hip ein - historically informed performance - was übertragen als historisch erfahrene Aufführungspraxis übersetzt werden kann.

Johann Sebastian Bach findet sich selten auf den Programmzetteln großer Symphonieorchester, in dieser speziellen Konzertreihe sind nun drei Kantaten für Soli Chor Orchester und Basso Continuo zu hören, die vom Chefdirigenten als dessen Favoriten vorgestellt werden. In seinen Kantaten zeigt sich der Leipziger weltlich und als Meister arioser Gesangskunde. Sie können durchaus als sein Beitrag zur barocken Oper gezählt werden, der Gattung die er nicht bediente. Kantaten sind die wichtigste Musikgattung für die Liturgie der lutherischen Messen im religiösen Jahreszyklus. Sie sollte den Kirchenbesucher erfreuen, erbauen und auch belehren. Der Aufbau der Kantaten ist standardisiert. Nach einem Eingangschoral folgen Rezitative und Arien für die Solisten, im Text auf die Evangelien bezogen.

Die ausgewählten Kantaten entstanden 1723 und 1724, kurz nachdem Bach die ehrenhafte Stelle als Thomaskantor angetreten hatte. Die Zusammenstellung der drei Kantaten „Liebster Gott, wenn werd ich sterben“ BWV 8 entstand 1724,.in der dargebotenen zweiten Fassung überarbeitete Bach die Instrumentierung, „Was Gott tut, das ist wohlgetan„ BWV 99 und „Herr, gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht“ BWV 105 sind gut ausgwählte exemplarisch Vertreter dieser Werksgattung.

Aus dem Klangkörper des renommierten Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks wurde ein kleines feines Barockensemble, genannt BRSO hip, herausgeschält und auch mit Barockinstrumenten angereichert. So wird auch der historischen Aufführungspraxis Rechnung getragen und soweit als möglich die entsprechende Klangwelt angepeilt. Die Saiteninstrumente verfügen über Darmsaiten und die Streichbögen sind historische Nachbauten. Die Blasinstrumente sind Originale und ebenso Nachbauten wie das Corno da tirarsi, das prominent zum Einsatz kommt.

Am Pult führt Sir Simon Rattle gefühlsbetont, auf einen stetig, aber nicht zu eiligen fließenden harmonischen Klang achtend. Die Instrumentalsolisten sind aufgefordert zu Stehen, teilweise treten sie aus dem Orchester hervor und agieren in direktem Kontakt neben den Sängern. Trotz des großen Raumes entsteht eine einnehmende Intimität, die diesen wirkungsvoll füllt.

Auch im Sängerensemble trifft der Besucher auf Spezialisten baricker wie sakraler Gesangskunst. Die Sopranistin Carolyn Sampson ist in der Alten Musik fest verwurzelt und führt ihre Arien klar im Ausdruck und mit vornehmer Zurückhaltung aus. Der Countertenor Tim Mead übernimmt den Part des Alt. Seine warme Kopfstimme lässt sich gut führen und versprüht Charme. Lyrik ohne Druck mitunter leichtes Vibrato zeichnet den Tenor von Thomas Hobbs aus. Hoheitsvoll edel führt Konstantin Krimmel die Basssoli aus. Vertrauensvoll und mahnend, bestimmend und gütig dringen seine Worte beim Zuhörer ein. Besonders erfreulich ist die exzellente Wortdeutlichkeit aller Mitwirkenden. So auch der Chor des Bayerischen Rundfunks eingeschlossen, der präsent aber nicht dominant sehr homogen in den Stimmen auftritt.

Für alle Freunde der Alten Musik ein Konzert höchster Qualität und höchstem Genuss. Das Publikum bedankt sich herzlichst mit langanhaltendem Applaus.

Dr. Helmut Pitsch

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