Zeit mit Schönberg Camerata Salzburg Salzburger Festspiele 1.8.2024
Camerata Salzburg- Große Gefühle in Kammermusik verpackt
Die Camerata Salzburg zählt seit ihrer Gründung 1952 zu den führenden Kammerorchestern und tritt weltweit in Konzertsälen und bei Festivals auf. In den letzten Jahren pflegen sie ihre Mission "Musizieren in Eigenverantwortung" ohne einen künstlerischen Leiter. Abwechsend übernehmen diese die beiden Konzertmeister. Auch für die Salzburger Festspiele sind sie regelmäßige Gäste und nehmen in dieser Saison auch am Zyklus Zeit mit Schönberg zu dessen 150 Geburtstag teil.
Ihren Abend beginnen sie mit Richard Wagner und dessen Siegfried-Idyll E Dur WWV 103. 1870 entstanden diente es dem Komponisten als Dank und Ehrung seiner Gattin Cosima zur Geburt des Sohnes Siegfried. Gefühlvoll werden Motive aus der gleichnamigen Oper neu zusammengesetzt und münden in eine musikalische Liebeserklärung des Schöpfers. Der Konzertmeister Giovanni Guzzo hält von seinem Platz bei den ersten Geigen proaktiv Sichtkontakt, gibt mit Körper und Augen verständliche Zeichen. Das vertraute Zusammenspiel ist fühlbar und gelingt mit Bedacht und Konzentration. Die Spontanität und direkte Einflussnahme eines Dirigenten weicht der klar abgestimmten Vorbereitung.
Zu selten wird die Kammersymphonie von Franz Schreker aufgeführt, denn das 1916 entstandene Werk steht am Wendepunkt der Spätromantik zur Moderne, schließt mit einer Klangwelt Wagners ab und Schreker entwickelt seine eigene, öfters als Klangwunder bezeichnet. Die Camerata führt diese anschaulich vor, ergänzt mit Celesta und Harmonium. Magische Harmonien stehen im Vordergrund, Motive und Melodien treten nicht markant hervor wenn überhaupt vorhanden. Langsam, schwebend, wie auch in der Satzbezeichnung angeführt, ist die Emotion dieser sinnlichen Musik, die stetig nach vorne drängt. Impressionistische Bilder erscheinen im Tonsatz. Die Camerata verinnerlicht mit Gespür die Inspiration Schrekers und gestaltet seine Klangwelt mit Innigkeit und weichem gedämpftem Spiel.
Ein Gedicht von Richard Dehmels, einem gefeierten Lyriker der Zwischenkriegszeit, stand Pate für Arnold Schönbergs Frühwerk Verklärte Nacht op 4. als Streichquartett 1899 entstanden. 1943 erhielt es von Schönberg eine Fassung für Streichorchester. Die Musik bildet spürbar und fühlbar den Dialog eines Paares wider. Sie gesteht ihre Untreue, er versichert die Kraft ihrer Liebe, das fremde Kind "zu verklären". Wiederum gelingt es den Streichern der Camerata unter Führung ihres Konzertmeisters eine subtile fein abgestimmte Interpretation dieses bekannten Werkes zu vermitteln. Die Melodien wandern in den Instrumentengruppen, die Führung des Ensembles wechselt mit der Stimmführung. Das Zusammenspiel funktioniert. Die Intimität und Vertrautheit des Paares im nächtlichen Spaziergang ist präsent, das Gespräch bekommt ein lebendiges Klangbild.
Großer Beifall im ausverkauften großen Saal des Mozarteums.
Dr. Helmut Pitsch
02. August 2024 | Drucken
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