Richard Strauss Salome Münchner Opernfestspiele 11.7.2023
Camilla Nylund brilliert als Salome in München
Richard Strauss ist zu recht neben Wagner der Hausgott des Nationaltheaters in München. Sein Vater spielte hier im Orchester, der Sohn krabbelte im Orchestergraben bei Proben und war später selbst geachteter Kapellmeister in seiner Heimatstadt. Alljährlich gehören Aufführungen seiner Opern zu den Höhepunkten der Opernfestspiele.
Dieses Jahr wird eine Wiederaufnahme von Salome in der Inszenierung von Krzysztof Warlikowski mit Starbesetzung geboten. Der Pole transportiert die biblische Geschichte in die Zeit der Judenverfolgung im dritten Reich. In einer noblen Bibliothek sammeln sich verfolgte Juden. Sie pflegen ein Kulturleben und spielen selbst eine Theateraufführung des Stoffes. Ab und an öffnet sich die hintere Bühnenwand und lässt den Blick in ein Geheimversteck zu, in dem ein Mädchen, vermutlich Anne Frank sitzt und ein Buch liest. Der berühmte Tanz ist eine Begegnung und ein gemeinsamer Auftritt Salomes mit dem Tod. Der Kopf des Jochanaan bleibt in einer Schachtel verpackt.
Es ist die unglaubliche spielerische und gesangliche Leistung von Camilla Nylund in der Titelrolle, die den Abend zum Erlebnis macht. Eruptiv mit natürlicher Ausdruckskraft und reinen klaren Tönen bis in die höchsten Spitzen singt sie nahezu lyrisch diese mörderische Partie ohne Zeichen der Unsicherheit oder Müdigkeit. Selbst im unglücklich konzipierten Tanz macht sie eine gute Figur. Sie hält den wuchtigen Orchestersalven unter der Führung von Francois Xavier Roth eindrucksvoll stand und erntet am Ende großen Jubel.
Aber es sind alle Rollen bestens besetzt und es kommt zu einer großartigen Gesamtleistung. Wolfgang Koch ist mittlerweile auf die Rolle des Jochanaan international gebucht. Mit seinem vollmundigen sehr gut geführtem Bariton bis in die dunkle Tiefe des Kerkers überzeugt wiederum. Ebenso ist die Partie des Herodes für Gerhard Siegel eine Leibrolle geworden. Er versteht es, den zerrissenen Tetrach in seiner Führungsschwäche und Machtbesessenheit zu positionieren. Eindrucksvoll klar und kraftvoll seine gesangliche Umsetzung. Michaela Schuster ist gewohnt dramatisch mit metallener Höhe als Herodias. Evan LeRoy Johnson ist ein sehr feiner, lyrisch ausgesungener Narraboth, der auch ein ausgedehntes Spiel von der Regie zugeordnet bekommt. Christine Bock ist ein prägnanter Page.
Spannungsgeladen und expressiv ist das Dirigat von Francois Xavier Roth. Er ermuntert das Orchester zu einem sehr ausgeprägten und im Volumen geladenen Spiel. Er hält die Musiker sehr eng zusammen, ist jederzeit Herr des Geschehen. Lautstärkenwechsel sind punktgenau, Steigerungen wachsen gefühlvoll. Der Klang aus dem Graben füllt jede Ecke im Haus, er durchdringt das Publikum, das fühlbar gebannt folgt. Motive und deren transparente Überlagerung schaffen eine bemerkenswerte Klangvielfalt.
Ein großer musikalischer Abend überdeckt die Defizite der Inszenierung und wird mit viel Jubel gefeiert.
Dr. Helmut Pitsch
12. Juli 2023 | Drucken
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