Capriccio bei den Salzburger Festspielen Schöngesang in Reinheit und Perfektion im Orchester

Xl_capriccio-2024-c-sf-marco-borrelli-002 © SF/ Marco Borelli

Richard Strauss Capriccio Salzburger Festspiele 31.7.2024

Capriccio bei den Salzburger Festspielen Schöngesang in Reinheit und Perfektion im Orchester

Nach dem Tode Hugo von Hofmannsthals, seines Librettisten, mit dem Richard Strauss seine bedeutendsten Bühnenwerke erarbeitete, war der Opernkomponist stets auf der Suche nach einem neuen passenden literarischen Partner. Stefan Zweig, der den Text für die Schweigsame Frau schuf und auch Capriccio initiierte, war von den Nationalsozialisten unerwünscht, sodass dies keine Fortsetzung ermöglichte.

So ist gut nachvollziehbar, dass sich Strauss der Diskussion um das Primat von Wort oder Musik stellte, da er sich der Bedeutung beider in ihrem Zusammenwirken bewusst war. Schon in Ariadne auf Naxos nähert er sich dem Thema, in seinem Spätwerk Cappricio ist dieser Wettstreit als Handlung gestaltet. Auf einem Landsitz außerhalb Paris zur Zeit Glucks buhlen Flamand, ein Musiker und Olivier ein Dichter um die Gunst der Gräfin und führen ihre Künste als symbolische Waffen. Weitere Gäste beteiligen sich an der Diskussion, zuletzt fordert der Theaterdirektor La Roche die Geschehnisse des Tages als Oper festzuhalten. Im legendären Schlussgesang entzieht sich die Gräfin charmant einer Entscheidung.

Das Libretto schufen mehrere „Köche“. Clemens Krauss, damaliger Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper und Richard Strauss erarbeiteten in einem intensiven, fast täglichen Briefwechsel die Textvorlage, auch der Dirigent Hans Swarowsky wirkt mit. Strauss nennt das Ergebnis ein Konversationsstück für Musik in einem Aufzug op 85, die Uraufführung fand 1942 statt. Dem Werk fehlt ein Handlungsfluss, ausschweifende gesprochene aber auch im Sprechgesang akklamierte Passagen verlaufen ohne Dramaturgie, auch wenn der Komponist diese mit farbenreicher orchestraler Begleitmusik unterlegt. Wie auch in den letzten vorangegangenen Opern komponiert Richard Strauss in traditioneller, an Barock und Klassik orientierter Harmonie und Kontrapunktik. Die Oper erreichte nicht breite Beliebtheit und findet sich selten auf den Spielplänen der Opernhäuser.


Capriccio 2024 © SF/Marco Borrelli

Umso mehr erfreut es, das Werk in erstklassiger Besetzung und musikalischer Gestaltung als Eröffnungsproduktion der diesjährigen Salzburger Festspiele konzertant zu erleben. Als Publikumsmagnet hat die Intendanz Christian Thielemann als allseits gefeierten Strauss Spezialisten am Pult des Hausorchesters, den Wiener Philharmonikern verpflichtet. Vom Beginn an bilden beide eine symbiotische Einheit. Es herrscht ein zarter transparenter, heller kammermusikalischer Klang. Auch im anschwellenden Orchester bleibt es feingliedrig intim, edel ist das höfische Ambiente in der Musik abgebildet, der engagierte Diskurs über Wort und Musik findet sich meisterhaft in den Noten abgebildet. Über zwei Stunden hält der Spannungsbögen auch wenn einigen im Saal, insbesondere zahlreicher chinesischer Jugendlicher, die Aufmerksamkeit spürbar abhanden kommt und andere Festspielbesucher mit leuchtenden Elektronikuhren und eingeschalteten Handys nerven.

Vorbildlich geht Thielemann mit den Sängern um, hält immer respektvoll die Musiker zurück, unterstützt begleitende Solisten zart geführt, mit sanfter Handbewegung verdeutlicht er seine Wünsche an Tempi und Volumen im Orchestergraben. Auf der Bühne steht aufgereiht das Sängerensemble, zumeist starr hinter ihren Notenständern. Kaum lockern Gesten die langsam fortschreitende Handlung auf.

Konstantin Krimmel verkörpert als Dichter Olivier das Wort und Sebastian Kohlhepp als Flamand die Musik in der dominierenden Diskussion der Abendgesellschaft. Der eine ein Bariton mit sehr gut führbarer flexibler Stimme, der andere ein lyrischer Tenor, der versteht Glanz und Raffinesse zu verleihen, stehen sich so gut gewählt als stimmliche Gegenpole gegenüber. Elsa Dreisig glänzt als Gräfin mit ihrem schlanken klaren Sopran mit silbern schimmernden Höhen. Ihr finaler Auftritt mit ihrem auskomponierten unbekümmerten Selbstgespräch gestaltet sie mit famoser Stimmtechnik und präziser Intonation.

Christoph Pohl ersetzt kurzfristig Bo Skovhus in der Rolle ihres Bruders. Locker und mit dialektischer Färbung in der Sprache vermittelt er gut den lebenslustigen Adligen. Mika Kares ist ein gestrenger Theaterdirektor. Sein Bass ist präsent aber nicht durchdringend, etwas unverständlich in der Aussprache. Eve Maud Hubeaux kostet ihren Auftritt als Clairon sichtlich aus. Sie mutiert geschickt zur Diva, kokett im Umgang mit leichtem französischen Akzent in der Aussprache, überzeugend im Gesang. Ihr Mezzo fließt passend elegant. Jörg Schneider liefert eine humorvolle Szene als Monsieur Taupe, der seinen Einsatz als Souffleur verschlafen hat.

Große Begeisterung und Applaus für alle Beteiligten.

Dr. Helmut Pitsch

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