Christian Thielemann bringt Bayreuth zurück, wo es musikalisch hingehört!

Xl_cdaccaf9-ed16-45ed-9efc-9205453a1ba2 © Enrico Nawrath

BAYREUTH/Festspiele: LOHENGRIN - WA am 4. August 2022

Christian Thielemann bringt Bayreuth zurück, wo es musikalisch hingehört!

Gestern Abend war es nun so weit. Nach bisher recht durchwachsenen orchestralen Leistungen des auch noch mit zu wenigen Proben eingesprungenen Bayreuth-Debutanten Cornelius Meister im ebenfalls neuen, etwas aus dem Ruder laufenden „Ring des Nibelungen“, aber auch nach dem zu zögerlichen Debut von Markus Poschner am Premierenabend von „Tristan und Isolde“, stand nun das jüngere musikalische Bayreuther Urgestein Christian Thielemann am Pult des Festspielorchesters. Immerhin bis vor kurzem noch Musikdirektor der Festspiele, dessen Vertrag man - künstlerisch unverständlicherweise - hat auslaufen lassen, sorgte Thielemann dafür, dass man wieder hören konnte, warum man vor allem - und leider immer mehr - nach Bayreuth kommt: Wegen des begnadet klingenden Festspielorchesters in der Wunderakustik des Festspielhauses, wenn es unter der erfahrenen Hand eines ebenso kenntnisreichen wie beseelten, Wagner lang schon liebenden und im Bayreuther Graben mit seinen Tücken - vor denen schon ein Georg Solti die Segel strich - gereiften Maestro seine ultimativen Qualitäten präsentieren kann. Das war gestern Abend wieder der Fall. Thielemann erhielt vom ansonsten nicht immer beurteilungssicheren Bayreuther Premierenpublikum triumphalen Applaus. Da gab es dann „auch keine Fragen“, um mit „Arabella“ von Richard Strauss zu sprechen. Schon das im Irgendwo eines fernen Nirwanas zu beginnen scheinende Vorspiel mit den feinsten Linien der Violinen bis zum sorgfältig und zielstrebig aufgebauten grandiosen Tutti und seinem Verklingen in weiter imaginärer Ferne verhieß Bestes. Und - welch Glück! - endlich mal wieder vor einem geschlossenem Vorhang! Diese musikalische Qualität wurde im weiteren Verlauf in perfekter Harmonie beim allerdings recht bewegungsarmen Bühnengeschehen und mit bester Koordination des wieder herrlich singenden Festspielchores unter der Leitung von Eberhard Friedrich konsequent weitergeführt, ohne je an einen musikalisch langweiligen Punkt zu kommen. Langweilig konnte es oben aber schon werden. Wunderbar anzuschauende Megaprospekte mit dunkel dräuenden Wolken in einem die ganze Produktion bestimmenden Delfter Blau mit allen denkbaren Schattierungen im - bisweilen zu schwachen - Licht von Reinhard Traub, zeitweise durchbrochen von kräftigen Sonnenstrahlen, nehmen den Zuschauer umgehend ein, auch mit Bühnenbildelementen in einem farblich kontrapunktischen Orange. Sie lassen Manches vergessen, was in ihrem Rahmen stattfindet.

Denn eine lebhafte Inszenierung ist das nicht, zumal der Regisseur Yuval Sharon erst sehr spät in die Produktion kam, als schon alle Prospekte von Neo Rauch und Rosa Loy gemalt, die Bühnenbilder erstellt und die Kostüme der beiden fertig waren. Darüber wurde 2018 bei der Premiere dieser Neuinszenierung ausreichend geschrieben. Nur so viel: Dass Bayreuth eine Werkstatt sein soll, der alte Gedanke von Wieland und Wolfgang Wagner, hat sich an dieser praktisch unveränderten Inszenierung nicht bewahrheitet. Und nicht nur in dieser, wenn ich an den „Ring“ von Tankred Dorst 2006 denke…. So sei besonders auf die weitestgehend exzellenten und überaus festspielwürdigen Sänger eingegangen.

Klaus Florian Vogt bewies einmal mehr, dass er wohl der Lohengrin unserer Tage ist. Sein helles und dabei äußerst eindringliches Timbre kommt mit einer gewissen klanglichen Aura genau dem astralen Charakter der Lohengrin-Figur entgegen. Dabei meistert er auch dramatische Steigerungen mit Leichtigkeit, wie vor ein paar Tagen erst bei seinem Siegmund erlebt. Darstellerisch ist Vogt ohnehin eine Offenbarung. Camilla Nylund ist mit ihrem klangvollen, warmen Sopran eine ebenso erstklassige Elsa. Auf jeder Note, auch der höchsten, weiß sie klangvoll zu singen. Dass dabei in den Höhen die Wortdeutlichkeit abnimmt, ist sicher auch der Lage geschuldet. Das dürfte bei der viel tiefer liegenden Ortrud nicht dem Maße passieren, wie es bei der ehemaligen Mezzosopranistin Petra Lang an diesem Abend zu hören war. Darstellerich wie immer eine großartige und boshafte Ortrud und Widersacherin des herrlichen Paares, vermochte sie stimmlich, auch durch eine eigenwillige Gesangstrechnik, nicht ganz zu überzeugen. Martin Gantner war als Telramund hingegen eine absolute Luxusbestzung mit einem sehr kultivierten wortdeutlichen Bariton und in jedem Moment nachvollziehbarem Spiel. Georg Zeppenfeld war wie immer in dieser Produktion der souveräne Heinrich der Vogler mit einem charaktervollen und zu jeder Nuance fähigen Bass. Derek Welton glänzte stimmlich als Heerufer und meldete sich damit schon für den „Rheingold“-Wotan an. Michel Gniffke, Tansel Akzeybek, Raimund Nolte und Jens-Erik Aasbø waren die vier Edlen.

Dieser „Lohengrin“ geht nun aus dem Programm, damit kann man leben. Aber ob man damit leben kann, dass Christian Thielemann im kommenden Jahr nach jetzigem Stand nicht mehr dem Grünen Hügel dirigieren soll - ob man damit leben kann?!

Klaus Billand
Bayreuth

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