Opernhaus Zürich / 3sat I Capuleti e I Montecchi
Der Streamreigen der Opernhäuser kommt im Advent weiter in Fahrt und die Fernsehanstalten beteiligen sich tatkräftig, um Kulturleben und Kulturfreude am Leben zu erhalten. Auch wenn die Politiker die Bedeutung der Kultur für das menschliche Wohl nicht anerkennen, darf sich der Kulturfreund über die engagierte Vorhehensweise der Kulturbetriebe freuen und zumindest digital die kostbare Nahrung aufsaugen.
Das Opernhaus Zürich gestaltet mit 3sat einen besonderen Leckerbissen mit der erneuten Ausstrahlung von Vincenzo Bellinis Oper I Capuleti e I Montecchi in Starbesetzung aus dem Jahr 2015. Bellinis Vertonung der wohl berühmtesten Liebesgeschichte nach der Vorlage von William Shakespeares Romeo und Julia ist ein Feuerwerk des Belcanto dicht von mitreißenden Arien und Duetten und fesselt den Betrachter auch am Bildschirm. In moderner Gestaltung von Christian Schmidt schafft der Regisseur Christof Loy einen spannenden Plot, dem die Kamera geschickt auf der Drehbühne folgt.
Mit einer aufschlussreichen Rückblende Giulettas auf ihr beklemmendes Leben zur Ouvertüre beginnt diese feinfühlige sensible Regiearbeit. In depressiver Grundstimmung erfahren wir von der Härte des Vaters bis zum inzestuösen Missbrauch. Depressiv geht es weiter in der leeren Wohnung der Capulets. Sei es im kühlen holzgetäfelten Büro oder im lieblos weiß gekachelten Todeszimmer mit der aufgebahrten Julia im schwülstigen barockem Bett berührt die Tragödie der Liebenden und wird zum Psychodrama. Wie ein dunkler Todesengel begleitet der Schauspieler Gieorgij Puchalski stumm aber sehr präsent die Beiden und führt sie so in das ausweglose harte Schicksal - ein geschickter wie ausdrucksstarker Regieeinfall.
Musikalisch setzt sich diese intensive auf Gefühle und Psyche ausgelegte Deutung im Orchestergraben unter der Stabführung von Fabio Luisi weiter. Der musikalische Leiter des Opernhauses versteht es klar und transparent diese Gefühlswelt in die Partitur zu transportieren und so wird diese Interpretation sehr gefühlvoll, intim, aufwühlend und immer in feinster Harmonie zur Bühne. Dort brilliert Joyce DiDonato als Romeo. Die Amerikanerin ist bekannt für ihr schauspielerisches Können und einer einprägsamen wie ausgeprägten Stimme. Unvergleichlich nuanciert sie die Stimmfärbung, versteht expressiv ihre Gefühle auszusingen und gleichsam dramatisch heldenhaft für die Liebe zu kämpfen. Ebenso starke Gestaltungskraft gelingt Olga Kulchynska als Giuletta, stimmlich bleibt sie in hoher Dramatik. Spannend und mit überzeugender stimmlicher Fertigkeit liefert sich Benjamin Bernheim als Tebaldo ein vokales Duell mit der dominierenden Joyce di Donato. Begeisterter Applaus – der Zuschauer zu Hause sehnt sich nach dem Liveerlebnis - Oper lebt und kehrt hoffentlich bald in die Opernhäuser zurück!
05. Dezember 2020 | Drucken
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