Triple Bill Ballettabend Bayerisches Staatsballett Nationaltheater München 5.6.2024
Das Bayerische Staatsballett begeistert mit tänzerisch anspruchsvollen bildgewaltigem Dreiteiler.
Tituliert nach den drei Choreografen dokumentiert dieser neu gestaltete Ballettabend die Qualität und Vielseitigkeit der Compagnie. Weltflucht wird im Programmheft als verbindendes Element angeführt, Drogensucht, apokalyptische Endzeitstimmung und hypnotische Mechanik treffen in der Empfindung des Betrachters zusammen.
White Darkness benennt Nacho Duato, der gefeierte Vertreter des modernen spanischen Balletts, entrümpelt von Flamenco und Volksbrauch, sein Tanzstück. Er verarbeitet hier seine Gefühle nach dem Drogentod seiner Schwester. Die der Klassik verhaftete Musik von Karl Jenkins liefert eine vermeintlich heile Welt mit gut abgestimmten Schattierungen in Rhythmik und Harmonie. Weißer Sand rieselt in weißen Säulen ab und an von der Bühnendecke, als Sinnbild für das Rauschgift. Die Solistin fühlt sich erotisch angezogen, ihr Partner versucht die Magie der Droge zu brechen. Vier Paare versinnbilden die Emotionen ergänzend. In gewohnt fließenden Bewegungen, in einander greifenden Figuren und sehr harmonischen Gesten. Subtil greift er das gesellschaftsrelevante Thema auf, zeichnet ein reales Bild, das berührt und mitreißt. Die Tänzer und Tänzerinnen lassen die akrobatisch anspruchsvolle Choreografie leicht und transparent erscheinen, zeigen in bester Körperbeherrschung die Abstraktion der sozialpolitischen Botschaft.
Ein andere Welt zeigt Andrew Skeels in seinem Stück Chasm, das er für das Ensemble des Bayerischen Staatsballetts geschaffen hat und seine Uraufführung am 12.4.2024 hier erlebte. Der Betrachter wird in die Zukunft gebeamt, in einen leeren Raum in dem sich die Tänzer wie Zombies anfühlen. Passend lässt sich Chasm mit „Riss“ übersetzen und als solchen erleben. Magisch ziehen den Betrachter die schattenhaften schleppenden Schritte der Tanzgruppe an. Wie in einem festen Ritual erfüllen sie fiktive Abläufe. Verblüffend entwickeln sich daraus starke Gruppenbilder. Aus dem Nichts bildet sich ein enger Ring, in dessen Mitte ein exstatisches Solo von fließenden Bewegungen des Ringes ergeben. Skeels führt meisterhaft Tänzergruppen in großen Szenen auf über 30 Minuten Dauer. Dazu hat er mit der Musik von Antoine Saychal große Klanggefühle zur Begleitung.
Im Abschlussstück Autodance erlebt der Betrachter wieder ein andersartiges Choreografiekonzept von Sharon Eyal. Ein aus sich selbst entwickelnder Tanz wird zur mechanisch hypnotisierenden Schrittfolge, gesteigert durch den Eintritt immer weitere Tänzer und Tänzerinnen des Ensembles. Es besteht wenig Vielfalt, dafür entsteht Spannung durch die Wiederholung und Kraft durch den Gruppenaufbau.Die bis in die Unendlichkeit angelegte Struktur gewinnt an faszinierender Komplexität.
Große lautstarke Begeisterung im ausverkauften Haus.
Dr. Helmut Pitsch
07. Juni 2024 | Drucken
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