Das Bayerische Stastsorchester im tiefen Dialog mit Bruckner

Xl_f4781caa-ea9c-44d1-8c6f-eabbf5d6a236 © Geoffrey Schied

Akademiekonzert Nationaltheater München 18.2.2025

Das Bayerische Stastsorchester im tiefen Dialog mit Bruckner

Der frühe Verlust seiner Ehefrauen führte Frank Martin zu einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit Leben und Tod. Der 1890 in Genf geborene Komponist entstammt einer Pastorenfamilie und besuchte nie ein Konservatorium. 1943 widmete sich der fleißige Komponist der Bearbeitung der Texte Hofmannsthals und insbesondere seinem 1911 uraufgeführten Schauspiel Jedermann. Die „Sechs Monologe aus Jedermann“ für Bariton- oder Altsolo und Orchester nach Texten Hugo von Hofmannsthals entwickelt der Schweizer zu einem Selbstgespräch über den Tod und löst es aus dem dramatischen Kontext heraus. Musikalisch folgt er der inhaltlichen Auseinandersetzung, den psychischen inneren Vorgängen. Er unterlegt den Worten keine Melodie, sondern kleidet die Unterstützung auf der letzten Reise mit ausgeprägter Rhythmik und dezent ausgereizten Harmonien. Verankert in der Spätromantik setzt er sich auch mit der seriellen Musik der Moderne eines Arnold Schönberg auseinander, Ansätze sind auch in den Monologen zu spüren. Die Partitur baut keine eigene Identität auf, der Text und der Solist bestimmen die Führung und den Ausdruck. Matthias Goerne füllt diese Aufgabe exzellent im Vortrag aus. Ruhig und klar entwickelt oder spinnt er wie natürlich seine Gedanken. Seinen Bariton lässt er mystisch gleiten, verweilt genussvoll in Pausen, klettert ab und an in verklärte Höhen bevor er wieder in seine nachdenkliche Stimmung fällt.

Das Bayerische Staatsorchester unter seinem GMD Vladimir Jurowski tritt dezent zurück, geht auf Goernes Interpretation gut zu. Als Zugabe erfreut Matthias Goerne das Publikum mit der beliebten Kirchenkantate „Ich habe genug“ von Johann Sebastian Bach. Gemeinsam mit dem Klarinetten Solo, das wie eine zweite Gesangstimme die Melodie entwickelt, moduliert aufgreift und zum Thema in der leidvollen Klangharmonie zurückkehrt, ergreift er das Publikum. Das bedankt sich mit viel Beifall.

Auch Anton Bruckner hat sich mit dem Leben und dem Tod in seinem ihm eigenen musikalischen von Gottesehrfurcht und tiefer Religiosität geprägten Kompositionsstil auseinandergesetzt. Die thematische Komplex und polyphone Ausdruckskraft steht im Widerspruch zu dessen Einfachheit und Bescheidenheit im wirklichen Leben. Und gerade darin steckt die natürliche Kraft und Expressivität seiner Werke, die den klaren und von einem übernatürlichen Glauben bestimmten Charakter seines Schöpfers wieder spiegeln.

Seine sechste Symphonie A Dur entstand in einer Phase der Überarbeitung seiner frühen Symphonien. So bleibt diese Symphonie auch die einzige ohne Überarbeitung und wirkt als solche geradezu schlicht und reif. Die vier Sätze bilden eine harmonische, hoheitsvolle und getragene Einheit.

Hoheitsvoll ins Monumentale gehend zelebriert Vladimir Jurowski mit dem Staatsorchester den Eingangssatz „Majestoso“. Bereits im Adagio und vollends im Scherzo nimmt er Schwere heraus, bleibt im Tempo getragen aber luftig. Hier zeigen die Musiker ihr Können farbenfroh nuanciert zu musizieren. Der Dialog der Streicher gerät munter ins Fließen. Zum Finale hin wird groß Hsrmonie aufgebaut, die unvermittelt verklingt.

Große Begeisterung im gut besuchten Haus. Seine Achtung und Anerkennung ausdrückend hält Jurowski die Partitur in die Höhe. Eine tiefe Verbeugung vor Anton Bruckner, der letztes Jahr seinen 200. Geburtstag feierte.

Dr. Helmut Pitsch

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