Mit Pauken und Trompeten Bergson Kunstkraftwerk München 13.10.2024
Das Bergson Kunstkraftwerk München eröffnet seinen High Tech Konzertsaal mit erlesener Barockmusik
Nun ist es soweit. Das neuentstandene Kulturquartier Bergson in einem ehemaligen Kohlekraftwerk am westlichen Stadtrand von München eröffnete im Frühjahr seine Türen für eine Galerie und großangelegte Veranstaltungsflächen, Verspätet wird nun der angekündigte Konzertsaal eingeweiht. Die architektonische Gestaltung, das vielseitige Kulturangebot und Veranstaltungskonzept ist eine moderne spannende Ergänzung im Münchner Kulturleben. Elektra Tonquartier ist der vielversprechende Name und viel Elektronik ist hier eingebaut. Ca 500 Personen fasst der längliche dunkel gehaltene Saal mit Parkett und Balkon. Der Saal ist mit dem elektronischen Raumakustiksystem Vivace ausgestattet. Dieses kann den sich im Raum natürlich ausbreitenden Schall elektronisch beeinflussen. 24 Mikrofone erfassen die Musik und ein Computer rechnet die Raumakustik aus, die von 80 Lautsprechern, im Raum verteilt, bedient wird. Dabei können unterschiedliche Klangerlebnisse entwickelt werden, von Kammermusik über Symphonik bis zu sakraler Kirchenmusik. Ein Live Kostprobe der technischen Raffinesse und der Originalakustik wird im Rahmen der Zugabe des Abends den Konzertbesucher geliefert. Somit bietet der Saal neue gestalterische Möglichkeiten, kann als Laboratorium zeitgenössischer Musik gesehen werden, wo klanggestalterische Möglichkeiten neu gedacht werden können.
Es ist das erste Konzert mit klassischer Musik in diesem Raum. Hierzu wurde das Balthasar Neumann Ensemble und der Tenor Julian Pregradien eingeladen, um festliche Barockmusik vorzustellen. Moderiert wird der Abend von Maximilian Maier, ehemals Mitarbeiter beim Bayerischen Rundfunk, nun für das Konzertprogramm des Bergson Kunstkraftwerks verantwortlich. Das Programm ist ein Pasticcio von Werken Georg Philipp Telemanns und Johann Sebastian Bachs mit einzelnen Solokonzerten für Trompeten und Oboe d‘amore, ein Programmheft ist nicht vorhanden, auch Teil des Konzeptes. Die musikalische Leitung liegt beim Konzertmeister. Die Harmonie und eingespielte Vertrautheit der Orchestermitglieder ist spürbar. Markant akzentuiert ist die Tonsprache, die Rhythmik gut lebendig gehalten. Das international renommierte Ensemble spielt auf Originalinstrumenten und wurde bereits 1991 von Thomas Hengelbrock gegründet. Die Solisten beeindrucken mit Ihrer Fertigkeit im Umgang mit ihren Instrumenten.
Ein warmer voller Klang erfüllt den Raum, transparent dringen die Stimmen durch, die Qualität der Klangbildung und Akustik ist ausgezeichnet. Das Soundsystem funktioniert und liefert Kammermusik in bester Athmosphäre. Der Tenor Julian Prégardien ist international gefragt als Spezialist für Oratorien, aber auch als lyrischer Operntenor. Zur Zeit widmet er sich seinem Projekt Liedstadt zur Pflege des deutschen Kunstliedes. In zwei Bachchorälen zeigt er seine klare helle Stimme mit guten Gespür für die Ausgestaltung der Rolle, wobei im ersten Stück Schwächen in den Spitzentönen und Unregelmäßigkeiten in den Koloraturen nicht zu überhören sind. Im zweiten getragenen Choral bleibt er sicherer und klarer. Als Zugabe gibt es noch einen Choral von Telemann, jetzt mit variabler Tongestaltung. In den zwei Strophen wechselt der Klang von Kammermusik über unbearbeiteter Tonqualität durch Abschaltung von Vivace hin zu Kirchenklang. Frappierend ist die klar erlebbare Veränderung. Selbst Julian Prégardien stutzt angesichts der täuschend ähnlichen elektronisch kreierten sakralen Klangfarbe wie in einem mächtigen Kirchenraum.
Das Publikum zeigt großen Zuspruch im gut besetzten Saal.
Dr. Helmut Pitsch
14. Oktober 2024 | Drucken
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