Der Haifisch zeigt Corona Zähne in München
Das traditionsreiche Theater am Gärtnerplatz in München sticht mit seinem engagierten Nach Corona Programm im deutschen Opernleben heraus. Sobald es erste Lockerungen erlaubten, stellte Intendant Josef Köpplinger einen rasch konzipierten Spielplan zusammen und lockt auch bis Ende Juli täglich mit Aufführungen. Zumeist werden wirtschaftlich sinnvoll zwei teilweise auch drei Darbietungen an einem Abend geboten. Mittlerweile werden unter Einhaltung der Abstands- und Maskenregelung immer mehr Zuschauer zugelassen. Langsam kommt für den Besucher ein Operngefühl wie vor den drastischen Einschnitten auf. Die Abende sind auf eine Spieldauer von bis zu 90 Minuten begrenzt. Vor dem Theaterbesuch wird streng kontrolliert und Mund Nasen Maske ist Pflicht bis der Zuschauer Platz genommen hat. Das Buffet bleibt geschlossen und keine Massen drängen sich in den Foyers. Auch auf der Bühne herrscht Abstand. In dieser halb szenischen Aufführung von Kurt Weills Klassiker Dreigroschenoper sind Sessel für die Sänger aufgereiht, dahinter. Sitzt das Orchester des Gärtnerplatz Theaters mit gebotenen Abständen und der außerordentlichen Instrumentierung mit Orgel oder Akkordeon.
1928 erlebte die Dreigroschenoper ihre Uraufführung im Berlin der Weimarer Republik. Die feinnervig versteckte Parodie und auch politische Kritik verpackt in prägnantem Erzählstil Bert Brechts und expressiver einprägsamer Musik von Kurt Weill mit vielen kompositorischen Elementen der Regeln des Barock und der Klassik bescherten dem Werk einen grossen Erfolg. Die Beliebtheit endete jäh mit der national sozialistischen Machtübernahme. Diese führte auch zur Emigration Weills, der in Amerika am Broadway seinen Erfolg fortsetzen konnte und 50jährig 1950 an Herzinfarkt in New York verstarb. Die aktuelle Aufführungsserie am Gärtnerplatz hatte am 9. Oktober 2018 Premiere.
Im feinen dunklen Nadelstreif mit Weste kommen die Herren, dem britischen Ursprung des Werkes angemessen auf die Bühne, die Damen erlauben sich etwas mehr Farbe.. Mitglieder des Chores nehmen in den Proszeniumslogen wirkungsvoll Platz und die Geschichte von Macheath, einem Londoner Straßenbanditen nimmt im Vorspiel und acht Bildern ihren Lauf. Beliebt bei den Frauen, vernetzt in der Polizei gelingt es dem raffinierten sympathischen Gangster immer wieder aus dem Polizeigewahrsam zu entfliehen, bis er kurz vor seiner Hinrichtung am Tag der Thronbesteigung der Königin Amnestie erlangt und sogar noch eine absurd üppige jährliche Pension bekommt. Daniel Schindler schuf die Dramaturgie des Stückes mit Musik, für die konzertante Fassung wurden zudem verbindende Worte von Stephan Hinton zusammengestellt.
Erwin Windegger eröffnet mit markigen Worten und Habitus als Jeremiah Peachum, seinerseits Anführer einer Bettlerplatte den Abend. Dagmar Hellberg darf gleich danach als seine Gattin Celia die wohl berühmteste Melodie des Werkes "Und der Haifisch der hat Zähne " anstimmen. Mit ihrer kernigen leicht gealterten Stimme erreicht sie den magisch angehauchten Flair der Berliner 20iger Jahre Kabarettszene. Nadine Zeintl als ihre aufmüpfige Tochter Polly stellt sich kokett gegen die Erwartungen der Eltern und heiratet den schlecht beleumundeten Macheath. Den gestaltet der junge Tenor Maximilian Mayer als gegeelte glatte Charakterstudie. Groß und arienhaft legt er seine Musiknummern und lässt seine frische Stimme strahlen. Etwas blaß bleibt daneben Stefan Bischoff als Tiger Brown, der gefürchtete, aber ebenso gaunerhafte Polizeichef von London.
Antony Bramall führt in freiner Stabsführung kammermusikalisch ohne Aufregung am Pult durch den Abend. Er lässt den Solostimmen bei Gesang als auch bei den Instrumenten Raum zur Entfaltung. In dieser Intimität geht die Musik zunehmend unter die Haut.
Am Ende viel begeisterten Applaus vom Publikum, herzhaft Freude widerspiegelnd.
22. Juli 2020 | Drucken
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