Der Weg führt nach Nirgendwo – düster ist die neue Katja Kabanowa in Innsbruck
Einsam, leer, endlos ohne Ziel ist die Straße vor dem Betrachter, der blick ist nicht wirklich einladend. Dazu unterlegt die Einleitung zur Oper Katja Kabanova von Leos Janacek mit Schwermut und tiefer Melancholie. So beginnt die Neuinszenierung von Hermann Schneider am Innsbrucker Landestheater. Die Premiere fand ohne Publikum im November 2020 statt. Nun kann sich endlich auf der Bühne mit Publikum aufgeführt werden.
Einfach subtil und prägnant wird der Besucher gleich eingestimmt auf die folgende sozial- und gesellschaftskritische Tragödie. Katja wird von ihrem Mann Tichon und der Schwiegermutter unterdrückt und lieblos behandelt. Boris haftet ähnliches Schicksal mit seinem Onkel an. Die beiden verlieben sich. Wir erleben das Stelldichein des Liebespaares am Zaun des Grundstückes am Ufer der Wolga. Wieder vermittelt der Bühnenbildner Dieter Richter mit einem großen Photo im Hintergrund Assoziationen mit dem ehemaligen Ostblock. Meentje Nielsen unterstützt den Effekt mit einfachen schmucklosen Kostümen. Schuldgefühle peinigen Katja und sie gesteht öffentlich ihr Vergehen. Gesellschaftlich verdammt leidet sie nun umsomehr in ihrem Haus. Noch einmal trifft sie den Geliebten, der von seinem Onkel nach Sibirien geschickt wird. Sie nehmen Abschied und Katja ertränkt sich in der Wolga.
Die Entstehung dieser Oper hängt eng mit einer persönlichen platonischen Liebesbeziehung Janaceks zusammen. Er verfasste das Libretto selbst nach Alexander Ostrowskis Drama Gewitter. 1921 wurde die Oper in Brünn uraufgeführt. In Innsbruck hat das Haus sich für die deutsche Fassung von Max Brod entschieden. Janaceks Musiksprache ist von seiner tschechischen Heimat geprägt. Er verarbeitet immer wieder folkloristische Motive in seinem expressiven realistischen Kompositionsstil. Bildgewaltig fangen seine Orchesterüberleitungen Stimmungen auf. Zum Gesang passt er seine Musik insbesondere der tschechischen Aussprache und Sprachmelodie an. Diese dramatischen Effekte gehen zum Teil in der deutschen Übersetzung verloren. Im Gegenzug half die meist wortdeutliche Darbietung sich auf die Handlung zu konzentrieren und nicht den Kopf für die Übertitel zu heben.
Lukas Beikircher führt am Pult das Orchester des Tiroler Landestheater sicher und mit Spannung durch die anspruchsvolle Partitur. Nicht immer gelingen die Einsätze sauber aber er baut die Instrumentengruppen klanglich auf und zusammen. Mit Bedacht hat er die Lautstärke im Auge und hebt die Dramatik der Rhythmik heraus. Es wird nuanciert musiziert und mit den Sängern bestens abgestimmt. Anna-Maria Kalesidis war bis 2020 Ensemblemitglied in Innsbruck. Die Russin mit griechischen Wurzeln verfügt über eine melancholisch passende Färbung in ihrem Sopran. Die Tragik des Lebens der Titelheldin und die Ausweglosigkeit ihrer Liebe ist in ihrer Interpretation spürbar ohne schrill oder heftig zu wirken. Rafal Bertminski verfügt über eine kräftige Stimme mit sicheren Höhen, die er an dem Abend mit viel Kraft, zuviel Kraft strahlen läßt. Seine Interpretation vermisst Mitgefühl und Liebe und ist im Spiel hölzern. Leben und Identität mit den Rollen bringen Edward Lee als Wanja Kudrjasch und Camilla Lehmeier als Barbara. Die beiden, selbst verliebt, versuchen dem tragischen Liebespaar zu helfen scheitern aber ebenso an den gesellschaftlichen Zwängen. Den unterdrückten Sohn und Gatten Katjas Tichon vermittelt Roman Payer sterile Kälte, die von seiner Mutter Kabanicha offensiv geprägt wird. Susanna von der Burg fühlt sich in der Rolle sichtlich wohl und überzeugt. Ihren bösartigen unbeliebten Verehrer Dikoj und Onkel von Boris macht Joachim Seipp nicht wirklich furchteinflößend, aber stimmlich sicher.
Sichtlich beeindruckt und von Mitgefühl erfaßt verharrt das Publikum am Ende für Momente starr, um anschließend mit kräftigem Applaus den Künstlern Dank und Anerkennung zu spenden. So lebt Oper und wie schön, dass sie wieder auf der Bühne zu erleben ist.
Dr. Helmut Pitsch
30. Mai 2021 | Drucken
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