Die Leiden des jungen Werther reloaded in München

Xl_werther_g_rtnerplatz © Jean Marc Turmes

Jules Massenet Werther Gärtnerplatztheater München 1.3.2023

Die Leiden des jungen Werther reloaded in München

Vornehm herrschaftlich residiert der Amtmann in der Neuinszenierung von Jules Massenets Oper Werther am Gärtnerplatztheater in München. Dezent blau getüncht sind die Wände, alte Meister zieren die Wände. Nur das Porträt seiner verstorbenen Frau sticht präsent heraus. Der verhängnisvolle Schwur der geliebten Tochter Charlotte an deren Sterbebett ist von Anfang an so im Bild. Die Kostüme von Alfred Mayerhofer versetzen in die Zeit der Entstehung des Werkes am Ende des 19. Jahrhunderts. Kinder und livrierte Diener tummeln herum und sorgen für Aktion. Geschickt baut der österreichische Regisseur Herbert Föttinger Spannung auf und hält mit ausgefeilter Personenregie diese aufrecht. Mitunter wird auf aufgewühlte Dramatik und platte Szenerie a la Hollywood gesetzt, wenn im letzten Akt hinter Jalousien matt ausgeleuchtet der verwundete Titelheld aufgegriffen wird. Aber es wirkt und reisst mit. Zur Untermauerung der literarischen Vorlage laufen Textpassagen auf dem schwarzen Vorhang projiziert zu den Vor- und Zwischenspielen mit.

Da hilft auch Antony Bramall im Graben mit einer kraftvollen und sehr bewegten Interpretation, die auch auf vollmundige Romantik setzt. Sehr schön kommen die malerischen Soli einzelner Instrumente heraus. Gross und vollmundig werden Melodiebögen gezogen, weich und gefühlvoll unterlegt. Mitunter wird das Volumen herausfordernd für die Sänger.

Maßgeblich für den Erfolg der Produktion ist die Besetzung der Titelrolle mit dem rumänischen Tenor Lucian Krasznec. Die Rolle des Außenseiters, verklemmt und suchend, der sich in seiner Liebe zur der in gesellschaftlichen Zwängen verhafteten Charlotte verzehrt, ist ihm auf dem Leib geschrieben. Bestens präsent werden seine Auftritte zu einer schauspielerischen Meisterleistung. Überzeugend und berührend bildet er den Charakter auf der Bühne ab. Stimmlich übernimmt er fassettenreich und klangvoll das Bild. Nuanciert entwickelt er die schicksalshafte Liebe die zur Tragödie führt. Begeisterung, Gefühle, Verzweiflung und Entschlossenheit, für alles findet Krasznec Farben und Ausdruck. Mächtig schafft er Athmosphäre mit langen und an Volumen wachsenden Soitzentönen.

Anna-Katharina Tonauer spielt und singt solide eine Charlotte, die hin und hergerissen zwischen Verpflichtung und Emotionen steht. Es gelingen ihr aber nicht die dramatischen Steigerungen ähnlich ihrem Kollegen abzubilden. Ludwig Mitterhammer gestaltet einen ehrenhaften Albert, der die Gefahr des Nebenbuhlers und die Untreue seiner Verlobten und späteren Ehefrau erkennt. Sein Bariton zeigt Fülle und sonoren Klang, der auch Dramatik kann. Den Amtmann gibt Holger Ohlmann farblos und stimmlich einseitig. Andreja Zidaric ist eine bewegliche Sophie, die ihrer Schwester verständnisvoll nahesteht, wie auch dem verehrten Werther.

Johann Wolfgang von Goethes Roman in Briefform war ein Welterfolg und schrieb in seiner Neuartigkeit Geschichte. Liebe, Gefühle und Psyche wurden in bis dato nicht gekannter Weise thematisiert . Jules Massenet gelang es dies in seinem 1892 uraufgeführten Werk erfolgreich in ein Musikdrama zu kleiden. Es wurde eines seiner erfolgreichsten Werke.

Das Münchner Publikum spendet heftig und laut Beifall. Zahlreiche Bravi belohnen alle Künstler.

Dr. Helmut Pitsch

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