Die Melancholie im Alter - Falstaff an der Wiener Staatsoper

Xl_img_0856 © Wiener Staatsoper Michael Pöhn

Mit einer Commedia lirica nach der Vorlage seines verehrten Shakespeare beendete Giuseppe Verdi sein umfangreiches Opernwerk. Lange Zeit pausierte der Meister bevor er im hohen Alter seine beiden Meisterwerke, Otello und Falstaff, schuf. Mit dem jungen Dichter, Librettisten und selbst Komponist, Arrigo Boito fand er einen genialen Partner, ähnlich dem Zweigestirn Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal. Die Vorlage der Geschichte um den verarmten Ritter Falstaff, seine Eitelkeit und seinen Erfindungsreichtum haben die beiden in ein zündendes romantisches Werk in drei Akten gekleidet. Verdi selbst schreibt, er wolle das Werk nur komponieren, um sich selbst zu vergnügen und die Zeit zu vertreiben. Er war sich nicht sicher, ob er es noch schaffen werde, diese Oper zu vollenden. Aber zum Glück gelang es und wurde auch gleich ein grosser Erfolg zur Uraufführung 1893. David McVicar leitete 2016 die Regie dieser Neuinszenierung an der Wiener Staatsoper. Gemeinsam mit dem Bühnenbildner Charles Edwards liessen sie die Handlung in der Originalzeit des 14. Jahrhunderts spielen. Die einfach gestalteten historischen Kostüme schuf Gabrielle Dalton. Die Handlung bewegt sich an zwei Plätzen, im Gasthof von Sir John Falstaff, mit grossem feudalem Bett oder im Haus der noblen Fords. Sowohl optisch als auch in der Personenführung ergeben sich so manche Fragen der Sinnhaftigkeit, aber insgesamt ist es eine unterhaltsame, schlüssige und spritzige Umsetzung. Dies auch Dank der sehr guten Leistung des für diese Neuinszenierung ausgewählten Sängerensembles. Carlos Alvarez verleiht dem dicklichen Sir John Falstaff ausreichend seriöse Witzigkeit, welche ehrliches Mitgefühle erweckt und nicht in den Klamauk verfällt. Stimmlich fühlt er sich sichtlich wohl in dieser Rolle, die weniger aus Arien sondern einem durchkomponierten Sprechgesang besteht. Im Parlandostil stecken aber fein ausgeprägte Melodieführungen, die sein voller Bariton mit frischer und farbenreicher Ausmalung gestaltet. Simon Keenlyside setzt seinem Herrn Ford Charakter und Dramatik auf und gewinnt hohe Bühnenpräsenz. Stimmlich ist die Rolle des Ford für seinen Bariton bestens geeignet, welche kraftvoll und wohl artikuliert singt. Olga Bezsmertna verleiht seiner Gattin Alice die nötige Raffinesse und Würze. Ihr voll unterlegter Sopran ermöglicht ihr in allen Lagen fein auszusingen, sicher legt sie ihre Intonation auf jeden Ton. Jinxu Xiahou erkämpft in dünner aber höhensicherer Stimme die Liebe seiner angebeteten Nanetta, die Hila Fahima jugendhaft rebellisch mit heller frischer Stimme prägt. Ensemblemitglied Monika Bohinec ist eine sichere ehrenhafte Mrs Quickly, die ihre "referenza" satt in die Tiefe fallen lässt. James Conlon zeigt wenig romantisches Empfinden in seinem Dirigat, laut und zackig lässt er die Winer Philharmoniker immer gegen die Sänger antreten, eher dem frühen Verdi Respekt zollend. Die Feinheiten und romantischen Auskleidungen des späten Verdis lässt er vermissen. Insgesamt eine sehr gelungene Wiederaufnahme, die vom Publikum mit viel aber kurzem Applaus belohnt wird.

Dr. Helmut Pitsch

Copyright Wiener Staatsoper Michael Pöhn

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