Schaufensterpuppen sitzen angezogen auf der Bühne. Der Zuschauerraum des Nationaltheater ist gespenstisch leer. Eine vermummte Gestalt im Anstaltsunterwäsche und roten Mantel tritt von hinten auf kritzelt „Let us talk“ in grossen Buchstaben auf die Bühnenwand. Dann geistert er herum und setzt sich auf einen mit Schaumstoff verkleideten Thron und wird festgeschnallt. Der irre König kriegt eine Krone aufgesetzt. Eine skurrile Optik schafft der Regisseur Andreas Weirich, die so die Handlung des knapp einstündigen Monodrams des britischen Komponisten Peter Maxwell Davies aus 1969 verstärkt. Beklemmend ist der Inhalt der Gedichte des dem Wahnsinn verfallenen englischen Königs George III (1737-1820), welche von Randolph Stow in ein Libretto zu Eight Songs for a Mad King gefasst wurden.
In weißen Kitteln tritt das vermeintliche Personal der Irrenanstalt mit Mund- Nasen Schutzmasken auf begleitet von einem Trommler. Langsam schreitet es durch die Reihen der Puppen und am Ende werden die weissen Mäntel abgenommen und es nehmen die Musiker ihren Platz ein und beginnen mit einem gewaltigen, aufrüttelnden dissonanten Klänggebäude zu spielen. Ein Aufbäumen, um dann in ein Wechselspiel Bläser Schlagzeug einzusteigen. Klavier und Streicher steuern Harmonien bei.
Der König fällt vom Thron und startet einen apokalyptischen Gesang, in dem Kopfstimme dazugehört. Der irre König nimmt auch in seinen Bewegungen auf allen Vieren Gestalt an. Er entledigt sich seiner Vermummung des Gesichtes. Schwer verständlich sind die geformten englischen Worte. Es wirkt aber als wichtige Botschaft. Instrumente wie die Flöte werden zu Gesprächspartner. Acht Lieder umfasst das Monodram mit Titeln wie Schildwache, Spaziergang auf dem Lande, Täuschung oder Phantasie über die Hofdame Miss Musgrave. Tänzelnd schreitet er durch die Puppenreihen, der Wahnsinn kommt immer mehr zum Ausdruck durch die überzeugende Datstellung von Holger Falk in der Titelrolle des Mad King. In der Königsloge erscheint eine seiner Wahnvorstellungen wahrhaft auf. Dem Irrsinn weiter verfallen greift er die Dirigentenrolle auf und zertrümmert auch mal eine Violine. „Man erlebt eine Welt in Brüchen, die Wahrheiten hervorbringt“ heisst es in der Ankündigung und diese Wirkung ist tiefspürbar. Der König im einfachen Bodysuit outet sich als psychisch Kranker aber als fühlender Mensch mit Emotionen, Leid und Freude, Natur und sein Eingesperrt sein im Geiste werden erkennbar. Am Ende vermummt er sich selbst wieder auf dem Thron sitzend, wird angeschnallt und fällt in seinen Kerker zurück. Die Musiker streifen sich ihre weißen Mäntel über und verlassen mit Trommelwirbel die Bühne.
2020 wurde das Werk im Rahmen der Serie Fester Samstag im Nationaltheater in München bereits aufgeführt. Nun kehr es in als Montagsstück IX in den Corona Spielplan der bayerischen Staatsoper zurück. Peter Maxwell Davies (1934-2016) ist einer der bedeutendsten englischen Komponisten des XX Jahrhunderts. Er verarbeitet in seinen Kompositionen eine Vielzahl von Stilmitteln von Gregorianik und Renaissance bis Expressionismus, Jazz oder Folklore. Er hinterließ eine Vielzahl symphonischer Werke und Opern. Viele Jahre lebte er zürückgezogen auf den schottischen Orkney Inseln. Bekannt geworden ist er hierzulande auch als Dirigent am Pult vieler bedeutender Orchester.
Die musikalische Leitung hat Olivier Tardy übernommen, der als preisgekrönter Flötist nun auch eine internationale Karriere als Dirigent angetreten hat. Viel widmet er sich der zeitgenössischen Musik und sein Verständnis, sein Gespür für die Spannungen in dieser schwer zugänglichen Klangwelt ist spürbar. Er schöpft Pausen gestalterisch aus, verbindet die Solisten mit dem Sänger, modelliert Melodien und Harmonien und läßt auch kräftige Erschütterungen zu. Die Kameraeinstellungen des Stream sowie die Lichtregie von Christian Kass lassen den Abend auch am Bildschirm zu einem Erlebnis werden.
15. Januar 2021 | Drucken
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