Nono/ Dallapiccola Konzertabend Ouverture Spirituelle Salzburg 25.7.24
Die Begegnung mit den Abschiedsbriefen von durch das Naziregime zum Tode Verurteilter bewegte Luigi Nono tief und war der Auslöser für sein Werk Il Canto sospesso für Sopran, Alt und Tenorsolo, gemischten Chor und Orchester, welches 1956 in Köln uraufgeführt wurde. In dem sechsteiligen Werk wechseln sich drei Lesungen von Abschiedsbriefen verschiedener Opfer des Faschismus mit neun Gesängen in drei Blöcken ab. Nono geht bahnbrechend neue Wege. Er baut ständig neue Akkorde auf, in der Zwölftonmusik verhaftet. Es herrscht ein Dialog zwischen Streichern, Bläsern und Schlagzeug. Dabei nutzt er eine serielle Technik ohne Rhythmik oder Melodie. Die zusammengesetzten Akkorde wandern in sphärische Höhen, werden zu harmonischen Gebäuden. Die Konsequenz oder besser Statik der Komposition werden zu beklemmender Klage und zeitloser Anklage. Die Texte beinhalten keine Worte, Ton und Klang stehen im Vordergrund.
Der junge Franzose Maxime Pascal steht konzentriert am Pult, führt das ORF Radio Symphonieorchester sowie den Chor des Bayerischen Rundfunks (Einstudierung Peter Dijkstra) mit klarem ausgeprägtem Taktschlag, wenig legt er in eine gefühlvolle Interpretation. Eine solche liegt auch nicht in der Natur des Werkes. Die Klangwelt wirkt unbegrenzt. Die Solisten sowie der Chor müssen präzise intonieren, in fordernden Sprüngen immer wieder im richtigen Ton aufsetzen. Dies erfordert Sicherheit und große Aufmerksamkeit.
Caroline Wettergreen ist eine gefeierte Koloratursopranistin, die die Herausforderung gesanglich souverän meistert wie auch ihre Kollegin Freya Apffelstaedt mit ihrem hellen leichten Alt. Robin Tritschler glänzt mit seinem flexiblen Tenor mit eleganter Tessitura. Tobias Moretti liest die Brief mit Betroffenheit, durchdringend ohne Polemik.
Nach der Pause gibt es eine konzertante Aufführung der einaktigen Oper Il Prigoniero von Luigi Dallapiccola. 1904 geboren, gilt er als Begründer der italienischen Moderne. Die Greuel der spanischen Inquisition als auch der aufkeimenden Nazizeit vor Augen ist diese Oper ein Leuchtturm des Widerstands. Der Zuschauer erlebt einen Gefangenen am Vorabend seiner Hinrichtung, im Seelenzustand psychischen und physischen Verfalls. Am Beginn steht der Besuch seiner Mutter, die ihm ihre dunklen Ängste schildert. Der zynische Kerkermeister weckt Hoffnungen mit einem Aufstand in Flandern und der baldigen Freiheit. Das falsche Spiel steigert die Grausamkeit.
Nunmehr erarbeitet Maxim Pascal mit dem ORF Radio Symphonieorchester einen musikalisch vielschichtigen aufregenden Klangteppich. Das groß besetzte Orchester verstärkt mit Glocken und Schlaginstrumenten begeistert mit einem engagierten dynamischen Klang. Georg Nigl findet als der Gefagene für sich eine Rolle, in die er mit Ausdruckskraft und Phantasie hineinschlüpft. Seine Ausbrüche wie Wahnvorstellungen sind von bestem schauspielerischen Talent. In seiner flexiblen Stimme steckt eine ebenso große Gestaltungskraft.
Tanja Ariane Baumgartner ist eine pointierte Mutter, die eratisch in ihren Gefühlen schwimmt. Ihr Mezzo ermöglicht ihr Ausbrüche ohne Schärfe, um gleich wieder in weichen Gesang zu verfallen. John Daszak ist ein zwielichtiger Kerkermeister, der fraternisiert und terrorisiert, all dies verpackt in einen facettenreichen Tenor.
Andrew Lepri Meyer und Timo Janzen übernehmen als Mitglieder des Chores des Bayerischen Rundfunks die Rollen der beiden Priester. Der Chor zeigt sich in seiner Gesamtheit wieder souverän in der zeitgenössischen Musik verhaftet.
Großer Jubel und Zuspruch in der Felsenreitschule, die als Kulisse für diese konzertante Aufführung gut dienen konnte.
Dr. Helmut Pitsch
26. Juli 2024 | Drucken
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