Ein neuer Lohengrin zwischen traditioneller Essenz und der ungeklärten Frage des Menschseins in München

Xl_4887fcad-5fed-4136-9ea5-72c8942fc3fb © Winfried Hösl

 Richard Wagner Lohengrin Bayerische Staatsoper 7.12.2022

Ein neuer Lohengrin zwischen traditioneller Essenz und der ungeklärten Frage des Menschseins in München

„Fragt nicht, wer ich bin“ verlangt der strahlende Held Lohengrin bei seinem Auftritt und mit seiner Geschichte entstehen viele Fragen in der aktuellen Neuinszenierung von Richard Wagners gleichnamiger romantischen Oper durch den Ungarn Kornel Mundruczo. Weg von eingefahrenen Klischees aber auch keine Reduktion erklärt er im Programmheft, aber was will er dem Betrachter über fünf Stunden sagen? Wir befinden uns immer im selben weiß sterilen Raum. Alle Mitwirkenden sind den gesamten Abend auf der Bühne. Anna Axer Fijalkowska steckt alle Mitwirkenden in unvorteilhafte eng anliegende helle Hosen und schlapprigen Pullover, im zweiten Akt gibt es noch transparente Regenmäntel- wofür ist nicht ersichtlich. Es sind keine äußeren gesellschaftlichen Unterschiede erkennbar. Es ist eine casual, locker ausgelassene Gesellschaft Statik dominiert in der spärlichen Personenregie, zumeist wird an der Rampe gesungen. Die Charakter der handelnden Personen sind unklar und widersprüchlich. Viel Prägung erhält Elsa als verhaltensgestörter kiffender verstossener Teenager.

Brabant ist ein sattes grünes Land. Elsa klebt in dunklem Outfit an einem Baum und wird nicht gerade zimperlich dem deutschen König vorgeführt. Lohengrin tritt aus der Menge, auf einen Schwan wird verzichtet. Mit glühenden Schweissbrennern und Schutzbrille kämpfen uncool Lohengrin und Telramund. Der glorreiche Sieg wird von allen mit Palmwedeln gefeiert. Die Passionsspiele Oberammergau lassen grüssen.

Zum Vorspiel im zweiten Akt ziehen lang aus dem Bühnenuntergrund Chor und Statisten in den Palast ein, davor lungern Telramund mit großem Stahlkoffer und Ortrud. Mit roten Bändern wird die Bühne für die Hochzeit geschmückt. Lohengrin bekommt einen pompösen schweren dunklen Gehrock mit silbernem Kreis auf der Brust, Elsa wird eine weiße Konstruktion umgeschnürt, die einen großen goldenen Kreis entfalten lässt. Das Brautgemach ist eine struppige Wiese, das Hochzeitspaar bleibt gegen den Text umringt von einer großen Schar. Im Schlussbild schwebt ein mächtiger dunkler Meteorit gemächlich auf die Bühne herunter und erdrückt alles unter sich, nur Elsa steigt in das Gewerk und bleibt gerettet. Von Klischees entstaubt liefert Mundruczo wenig Erhellendes, ausser einem ausgeleuchteten Bühnenraum und positiv stimmende bewegungslose Bilder von einigem wilden Geschubse und kollektivem Hand hochhalten abgesehen.

So gilt die Aufmerksamkeit der Musik. Francois Xavier Roth leitet seine erste Premiere in München. Breit sind seine Tempi angelegt und unterdrücken so immer wieder den Spannungsbogen. Wuchtig und kräftig zeichnet er Steigerungen, zartest lockt er in den Piani und bildet ausdrucksstark die Handlung ab. Viel Blech im Hause verteilt birgt weitere Wirkung. Beeindruckend ist die Stimmkraft des bestens von Tilman Michael einstudierten Chores. Unterstützt von dem verkleinerten abgeschlossenen Bühnenraum erreicht er bei der großflächigen Aufstellung ein volles durchdringendes Volumen und Tiefenwirkung.

Der Erfolg des Abends ruht auf der souveränen Leistung von Klaus Florian Vogt in der Titelpartie, eine Rolle die ihm förmlich auf den Leib und Stimme geschrieben ist. Weltweit feiert er als Schwanenritter uneingeschränkt Erfolge, so auch in München. Präsent und kraftvoll bis zum letzten Ton bewältigt er die anspruchsvolle Partie mit seiner unvergleich klaren hellen Tenorstimme. Ihr Rollendebüt als Elsa gibt Johanni van Oostrum. Die Südafrikanerin steigert sich von Akt zu Akt. Sie gewinnt an stimmlichen Ausdruck, Kraft und Wortdeutlichkeit.

Ortud ist eine zentrale Rolle. Ihre unumstößliche Machtgier treibt die Handlung. Sie hat Elsas Bruder, den jungen Herzog auf dem Gewissen, treibt ihren Gatten Telramund in den Kampf, den er nur verlieren konnte und erschleicht sich Elsa Gunst zurück, um gleich wieder ihren Machtanspruch zu artikulieren. Eine Charakterrolle die für Anja Kampe eine weitere Wagnerpartie ist. Mit viel Kraft schmettert sie ihre Worte kaum verständlich in den hohen Tönen. In der Tiefe bricht die Stimme zum Sprechgesang. Wirkungsvoll und routiniert formt sie die Rolle, die sie hörbar an ihre Grenzen bringt. Johan Reuter mimt sicher ihren glücklosen Gatten Telramund. Viel Raum nimmt Mika Kares als Klnig Heinrich mit seinem vollmundigen frischen Bass ein. Sehr verständlich, und farblich nuanciert erfüllt er seine Rollengestaltung. Andre Schuen lässt als Heerrufer keine Wünsche offen.

Viel Beifall für alle Beteiligten.

Dr. Helmut Pitsch

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading