Ein Schmankerl für Belcanto Fans - Donizettis Anna Bolena halbszenisch am Gärtnerplatz

Xl_1607012281_x_202011annahp2brianekf-25 © Marie Laure Briane

Gaetano Donizetti Anna Bolena Gätnerplatztheater München 28.11.2021

Ein Schmankerl für Belcanto Fans Donizettis Anna Bolena halbszenisch am Gärtnerplatz

Mit dieser seiner 35. Oper schaffte Gaetano Donizetti 1830 seinen künstlerischen Durchbruch obwohl er diese in kürzester Zeit von einem Monat komponieren musste. Der Probebeginn am Maiänder Teatro Carcano stand bereits als sein Librettist erst vier Wochen vorher lieferte.

Der  1797 geborene Komponist nähert sich in seiner Oper Anna Bolena der Romantik und findet seinen persönlichen Kompositionsstil. Ausufernde Verzierungen und Koloraturen des Belcanto verbinden sich mit harmonisch ausladenden Melodiebögen und führen zur romantischen Arie. Das Ensemble bekommt mit zahlreichen Duetten, Terzetten und Gruppenauftritten eine besondere Bedeutung.

Über ein solches Ensemble auf höchster künstlerischer Qualität verfügt das Münchner Gärtnerplatz Theater. Hier sticht nun in einer halbszenischen Neuinszenierung die grossartige Leistung der Sänger und Sängerinnen hervor.

Die Sopranistin Jennifer O‘Loughlin ist seit mehreren Jahren eine tragende Säule des Ensembles, vom Publikum und Presse gelobt und geliebt. Sie überzeugt als Anna Bolena mit einer makellosen sängerischen Leistung der anspruchsvollen und umfangreichen Partie. Herausfordernd sind die atemberaubenden Tonsprünge bis in höchste Lagen gefolgt von artistischen Koloraturen, die kaum Zeit zum Atmen lassen. Dabei vergisst sie nicht auf ihre Darstellung und wirkt locker und souverän.

Die Rolle der ruhmsüchtigen Widersacherin Giovanna Seymour, die die Gunst und Liebe des Königs Enrico (Heinrich) VIII. erheischt,  wurde ursprünglich auch für Sopran geschrieben. Zur klareren stimmlichen Prägung wird sie mittlerweile zumeist mit einer Mezzosopranistin besetzt, die mit der hohen Lage und höchsten Tönen gefordert ist. Die Mezzosopranistin Margarita Gritskova schafft die Herausforderung ohne schrill oder überdramatisch zu wirken. Sie bleibt leicht, presst kaum und konzentriert sich auf eine nuancenreiche Stimmführung in bestens beherrschter Technik. Das Duett der Beiden wird zu einem Genuss von Belcanto für die Zuhörer, die nur in reglementierter Zahl teilnehmen dürfen.

Enrico – Heinrich VIII. steht zwischen den beiden Frauen und spielt mit deren Gier nach Ansehen und Ruhm, und Liebe. Sava Vemic ist schlank und groß gewachsen. Seine Auftritte sind von einer natürlichen eleganten Präsenz gekennzeichnet. Dazu verleiht ihm sein vollmundiger kräftiger Bass, der sich sehr flexibel und leicht liedhaft führen läßt auch eine gute gesangliche Wirkung. Anna Bolena entsagte für den Thron ihrer Liebe zu Lord Percy, der von Lucian Krasznec mit viel Gefühl und Emotionen dargestellt wird. Dazu verhilft ihm sein warmer gut führbarer Tenor mit meist sicherer Höhe zu einer ebenso gelungenen stimmlichen Umsetzung. Etwas farblos wirkt Timos Sirlantzis als Lord Rochefort. Seine Bassstimme ist kräftig und flexibel, aber seine Darstellung wirkt zu statisch. Als Gast verstärkt Lena Belkina das Ensemble als Page Smeton. Sie schlüpft gekonnt in die Hosenrolle, stimmlich ist ihr Mezzosopran brüchig beim Lagenwechsel und hart.

Musikalisch leitet den Abend Howard Arman, der sich als Chorleiter einen exzellenten internationalen Ruf aufgebaut hat. Hier zeigt er auch als Dirigent viel Einfühlungsvermögen und eine gelungene Symbiose zwischen Bühne und Graben. Immer nah am Geschehen, temporeich und schwungvoll achtet er auf die Stimmen der Solisten und des Chores.

Halbszenisch wurde die Inszenierung dieser Tragedia lirica angekündigt. Aber viele szenische Einzelheiten und eine ausgearbeitete Personenregie (Staging Maximilian Berling)  machen den Abend zu einem runden Opernerlebnis. Mit geschmackvollen Projektionen von teilweise bewegten Bildern auf den Bühnenhintergrund wird das Geschehen intim (Video Meike Ebert und Raphael Kurig). Eine Krone als Symbol für Macht und Ruhm, die Triebfeder der Handlung, hängt mittig im Raum und dominiert den Blick. Die Bühne ist als breitte Freitreppe gestaltet. Die schlichten leicht historisierten Kostüme von Inge Schäffner sind in dezenten dunklen Farben aus edlem Material gehalten. Störend wirkt nur ab und an das Gezerre an den Notenständern. Soweit man erkennen konnte, waren die Darsteller kaum auf ihre Partituren angewiesen.

Am Ende viel Beifall von den begeisterten Zuschauern. Pandemiebedingt war das Haus nur zu 25% besetzt. Der Applaus wird von Staatsintendant Josef E. Köpplinger charmant unterbrochen, der zu einer sehr herzlichen Überreichung der Kammersänger Urkunde an Jennifer O’Loughlin und Lucian Krasznec überleitet. Das Publikum begleitet die Ehrung mit stehenden Ovationen und gratuliert lautstark.

Dr. Helmut Pitsch

Photo Marie-Laure Briane

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