Herbst Ballett Matinee der Heinz Bosl Stiftung Bayerische Staatsoper München 27.11.2022
Feinste Spezialitäten serviert von der Ballettakademie begeistern in München
Tanzen war schon mit vier seine Leidenschaft, jetzt ist es Teil seiner Identität. Der Israeli Lior Tavorim gehört zu den angesagten Choreographen, die eine neue Periode des Tanzes einläuten. Evolutionär aus dem Tanz heraus sind seine Kreationen, der Volkstanz ist seine Herkunft. Wie in Trance bewegen sich die Tänzer zum Soundtrak von Utamar Gross, der seine Musik ebenso evolutionär aus den Bewegungen der Tänzer entwickelt. Im Spannungsfeld von Elektronik, Volkstanz und zeitgenössischer Tanz entsteht so eine Begleitmusik, die sich dem Tanz unterordnet. Auch der Zuschauer wird von dieser mechanischen Bewegung in seinen Sog gezogen, die Musik steigert das Empfinden. Zuerst wird nur marschiert, die Monotonie steigert die Spannung auf das, was kommen kann, Und hier wird einiges von den Tänzern geboten und der Zuschauer wird nahezu 30 Minuten nicht aus dem Bann entlassen. Das ist Tanztheater ohne Gefühle und Emotionen. Wie perfekt getunte Maschinen erscheinen die Tänzer und Tänzerinnen. Immer wieder ergeben sich bewegte Bilder mit magischer Ausdruckskraft. Bonbon nennt er seine Arbeit, und wie ein Zuckerl zergeht die Arbeit im Kopf des Betrachters – die Geschmacksrichtung bestimmt jeder individuell – aber es macht Lust auf mehr.
Seit 1978 fördert die Hans Bosl Stiftung die Ausbildung des bayerischen Ballettnachwuchses. Zweimal im Jahr präsentiert sie im Rahmen von Ballettmatineen die Fortschritte der Eleven vom Beginner bis zum Juniorballett. Mit besonderer Freude und Dank berichtet Ivan Liska, ehemals Leiter des Bayerischen Staatsopernballetts und jetzt der künstlerische Leiter der Stiftung, über die enge und erfolgreiche Zusammenarbeit mit der bayerischen Staatsoper und die Aufnahme des Junior Balletts als Nachwuchsensemble des bayerischen Staatsballett. Dies eröffnet neue Möglichkeiten und Perspektiven für alle Beteiligten.
Von den Perspektiven des Publikums konnten sich im ausverkauften Haus die Zuschauer ein eindrucksvolles Bild der hohen Qualität und des Engagements machen. Alle Jungstudierenden der Ballettakademie der Hochschule für Musik und Theater München, 70 Tänzer und Tänzerinnen im Alter ab sieben Jahren, eröffnen mit dem treffenden Stück Exercises. Musikalische Grundlage sind die Etüden von Carl Czerny in der Bearbeitung von Knudage Riisager. In acht Übungen werden kunst- und humorvoll von den mitreißenden Jungstars erste Schrittfolgen, Vorstufen der großen Tanzschritte spielerisch vorgeführt.
Mit dem Juniorballett folgt in Allegro Brillante ein Klassiker von George Balanchine choreografiert nach der Musik des dritten Klavierkonzerts von Piotr Tschaikowski. Fünf Paare veranschaulichen die wichtigen Elemente des klassischen Tanzes Musikalität, Sprungtechnik und Zusammenarbeit. In professioneller Eleganz und Harmonie wird klassische Tanzkunst zur Moderne ausgeführt.
Modernes Tanztheater krönt den Morgen eindrucksvoll und mitreißend nach der Pause. Liebesbotschaften titulieren die Choreographen Ivan Lischka, Norbert Graf undMaged Mohamed ihre Arbeit zu romantischen gefühlgetränkten Liedern von Franz Schubert. Vor farblich unterschiedlich angestrahltem Hintergrund erzählen die Tänzer Kurzgeschichten, Gefühlswallungen in Soli, Paar und Formation. Raffiniert sind die Figuren, ineinander verschlungen kreativ mit breiter Anlehnung an klassisches Ballett. Und mit Bonbon zeigen die jungen Tänzer und Tänzerinnen souveränes Tanztheater mit Freude an der Bewegung und Ästethik in der körperlichen Ausführung. Routiniert schlüpfen sie in laufender Abfolge in ihre Rollen. Ihre Musikalität und gestalterische Reife übermitteln sie in ansprechender Intimität.
Frenetischer Beifall und zu Recht viel Anerkennung für die jungen Tänzer und Tänzerinnen.
Dr. Helmut Pitsch
29. November 2022 | Drucken
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