Fledermaus in München - Aufwendige queere Wiener Exzesse

Xl_eb80811b-2afd-4dc4-8ff1-356adea91980 © Wilfried Hösl

Johann Strauss Die Fledermaus Bayerische Staatsoper 25.2.2025

Fledermaus in München - Aufwendige queere Wiener Exzesse

Im Dezember 2023 feierte die Neuinszenierung Der Fledermaus von Johann Strauss in der Regie von Barrie Kosky Premiere an der Bayerischen Stastsoper. Der Australier beschäftigte sich intensiv mit dem Genre Operette und führte diese als Intendant der Komischen Oper in Berlin zurück auf die Spielpläne deutscher Theater. Indem er die Operette modernisierte, näherte er sie dem Revuetheater bis nah an den Kitsch. Zumeist findet man Elemente der queeren Gesellschaft und Dragqueenszene. Seine Regiearbeiten sind bekannt für schräge Einfälle in aufwendigen Ausstattungen mit humoristischen und kritischen Einlagen.

Mit all diesen Zutaten würzt er auch seine Fledermaus, die jetzt im Fasching und zum 200. Geburtstag des Komponisten an der Bayerische Staatsoper wiedersufgenommen wird. Rebecca Ringst schuf ihm hierzu farbige poppige Bühnenbilder mit klassisch wienerischem Anstrich. Kosky bespielt die Ouvertüre mit tanzenden Fledermäusen, die Graf Eisenstein den Schlaf in seinem Bett rauben. Vor bunten Biedermeierhausfassaden der Wiener Innenstadtgassen erlebt der Zuschauer das Geschehen im Hause Eisenstein. Zuerst im Schlafzimmer, dann im plüschigen Salon und dem festlich gedeckten Esszimmer. Der Hausherr, das Zimmermadl und die Gäste kommen und gehen durch die Haustüren der Kulisse.

Prinz Orlofsky entpuppt sich als muntere Drag Queen, seine Feier wird zu queeren Orgie. Im Aufwand wurden keine Mühen an der Vielfalt und Originalität der Kostüme gescheut. Der Chor schlüpft engagiert in die poppigen Verkleidungen, Tanzgruppen reißen mit Soloeinlagen mit. Bilder, wie sie vom legendären Wiener Lifeball um die Welt gingen, kommen in den Sinn. Der schrille Maskenball findet ein jähes Ende, die Gesellschaft reisst die Wiener Fassaden von Eisengestellen herunter - der Schauplatz wechselt zum Gefängnis - Eisenstein, jetzt gedoubelt, entschwindet an einem Luster hängend.

Viele Frösche, derer 6, verderben den Brei im Gefängnis. Statt der üblichen Politikbemerkungen steppt Frosch eins, die anderen sausen wie wilde dümmlich herum. Der Gefängnisdirektor Frank kommt in Paillettenslip und Stöckelschuhen mit Hangover vom Fest zurück, Eisenstein in Pailletten Boxershorts. Viel wird auf den zahlreichen Treppen in den Eisengestellen herumgegangen bevor zum Schlussbild die gesamte Ballgesellschaft wieder farbenfroh erscheint und am Klamauk vorbeischrammt.

Den Sängern allen voran Georg Nigl als Gabriel von Eisenstein und Martin Winkler als Frank ist höchste Anerkennung für die darstellerische Leistung in der umfangreichen Personenregie auszusprechen. Georg Nigl ist ein rechter Filou, charmant und frech, der auch sprachlich dialektische Färbung liefert. Martin Winkler gelingt es urkomisch und entwaffnend halbnackt in kessem Outfit aufzutreten. Ohne Bruch wechselt er zum diensteifrigen Gefängnisdirektor. Wenig überzeugt Countertenor Andrew Watts als Prinz Orlofsky. Stimmlich ist er in den Spitzen zu eng und scharf und in der Tiefe fällt er in die Bruststimme. Julia Kleiter ist als Rosalinde kühl, wenig verführerisch und geheimnisvoll. Sprachlich wirkt ihr Hochdeutsch steril in der Umgebung. Katharina Konradi als Adele und Miriam Neumair als Ida sind zwei lebendige umtriebige Schwestern. Granit Musliu präsentiert seinen kräftigen höhensicheren Tenor als stürmischer Alfred.

Strenger und zackiger geht es im Orchestergraben zu. Vladimir Jurowski agiert sehr präzise, achtet auf Takt und Rhythmus, lässt wenig schwelgerische Verzierungen.zu. Dafür füttert er den Klang mit kräftigem Volumen und symphonischer Breite. Dem Wiener Intrigenspiel mit Charme und Schmäh versetzt er einen militärischen Zug. Seine Interpretation ist lebendig und packend. Die Musiker folgen frisch und aufmerksam. Der Chor der Bayerischen Staatsoper überzeugt sängerisch wie darstellerisch. Bestens vorbereitet wirkt er sehr aktiv in der bunten Festgesellschaft mit.

Das Publikum ist immer wieder aufgefordert aktiv mitzuwirken. Es herrscht beste Stimmung die am Ende in Jubel ausbricht.

Dr. Helmut Pitsch

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