Ganz im Sinne Virginia Woolfs Orlando als Musiktheater in München

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Orlando Opera incognita München 15.10.24

Ganz im Sinne Virginia Woolfs Orlando als Musiktheater in München

In ihrem berühmten Roman Orlando verarbeitete Virginia Woolf ihre Liebesgeschichte und deren Ttennung mit der deutlich jüngeren Literatin Vita Sackville West .In der Geschichte erklimmt der schöne nicht alternde Jüngling Orlando, der im 16. Jahrhundert zum Geliebten Königin Elisabeth I wird, erfolgreich die Karriereleiter am Hof und Jahrhunderte später ist er Botschafter in Konstantinopel und mutiertt in einem langen Schlaf zur Frau. Als solche kehrt er/sie nach England zurück, die humorvolle Geschichte endet im Entstehungsjahr 1928 ohne wirkliches Finale.

Geschickt verpackt Woolf ihre bissige Kritik an der englischen Gesellschaft und hinterfragt die Rollen von Mann und Frau. Ein Jahrhundert später ist die Genderdiskussion in vollem Gange und aktuell breit in der Gesellschaft angekommen. Die freie Operngesellschaft Opera Incognita greift nun den Stoff auf und erarbeitet ein kurzweiliges Musiktheater, gewürzt mit barocken Arien von Georg Friedrich Händel, altenglischen Volksliedern und einem Ausflug in den deutschen Schlager mit Nenas Lied vom Leuchtturm. Die musikalische Gestaltung stammt wiederum von Ernst Bartmann, dem musikalischen Direktor der Operngesellschaft.

Die Textfassung und Regie kommt von dessen Mitgründer Andreas Wiedermann. Er hält sich weitgehend an die Vorlage, ganze Textpassagen werden vom Erzähler oder aus dem Off vorgelesen, zahlreiche Originalzitate sind den Protagonisten auf der kleinen leeren Bühne des Silbersaals im deutschen Theater in München szenisch in den Mund gelegt.

Nur ein paar goldene Würfel dienen als Requisiten, die Kostüme sind einheitlich hell gehalten, der barocken Mode angelehnt. Die Ausstattung und Kostüme wurden von Aylin Kaip entworfen, ebenso festes Mitglied im Regieteam.

Regina Speiseder kann mit ihrem roten Lockenkopf, androgyner Wirkung und ihrer lebendigen Mimik samt sprechenden Augenkontakt in der Rolle des Tausendsassa Orlando sowohl als naiver verträumter Schönling wie als kokette suchende junge Dame überzeugen. Mit Lust und Freude ist ihr Spiel ansteckend, ein gut intoniertter Sopran lässt auch im Gesang aufhorchen. Thomas Sprekelsen schlüpft fließend in mehrere Rollen, die Verwandlung gelingt aber nur in Ansätzen. Als nüchterner Erzähler mit Buch in der Hand ist er ohne Übergang eine lüsterne gealterte Königin Elisabeth I. In seiner Erzherzogin Griselda ist britischer Humor verpackt, wie auch bei Nick Greene. Als Shelmerdine ist er ein feuriger Liebhaber aber in Gedanken schon unterwegs zum Kap Horn. Carolin Richter besticht mit ihrem klaren kräftigen Gesang und übernimmt den Part der exaltierten russischen Adeligen Sascha sowie des Kapitäns bei der Rückkehr nach England. Martin Schülke erzählt sonor als Erzählstimme aus dem Hintergrund.

Der Abend ist unterhaltsam, die Bearbeitung des Textes will keine Zeitkritik oder politische Aussage treffen, es ist eher als philosophisches Märchen und Hommage an die große Literatin zu verstehen.

Dr. Helmut Pitsch

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