Akademiekonzert Bayerisches Staatsorchester Nationaltheater München 6.11.2024
Gefühlsintensiver Saisonauftakt beim Bayerischen Staatsorchester
Die Komposition A survivor from Warsaw, 1948 von Arnold Schönberg komponiert, lässt das Blut gefrieren. Die Aufdeckung der Greueltaten des nationalsozialistischen Regimes an den Juden im Warschauer Ghetto veranlasst ihn, in seinem amerikanischen Exil diese Tondichtung für eine Bassstimme, Männerchor und Orchester. zu schaffen.
Es ist eine vertonte Anklage. Den Text dazu in Englisch und Deutscher Sprache verfasste Schönberg selbst, eine Szene in einem Vernichtungslager lebensecht beschreibend. Die Musik ist nüchtern, in seiner Atonalität Gefühlsausbrüche und dunkle Bilder aufrufend, und die Vorkommnisse in seiner Tonsprache aufwühlend. Christof Fischesser rezitiert markig, die Rolle des Erzählers und eines deutschen Serganten nuanciert gefärbt abbildend. Ohne Unterbrechung führt Vladimir Jurowski am Pult das Bayerischen Staatsorchester über in das zweite Werk des Abends, Beethovens Neunte Symphonie, das musikalische Symbol der Freiheit und als Europahymne des Friedens.
Die Wahl und der fliessende Übergang sind inhaltlich und theamatisch klug gefasst und umgesetzt. DIe beiden Werke wurden schon mehrmals ineinander verwoben unterschiedlich zusammengesetzt. Jurowskis Interpretation des so bekannten Werkes ist von Leichtigkeit und frischer Transparenz geprägt, Dramatik und Mächtigkeit vermeidet er. Mit flottem Tempo aber nicht gehetzt bildet er einen Fluss von Motiven, die weich gerundet immer wieder kehren. An wenigen Stellen wühlt er das Orchester markant auf und kehrt dann nahezu pastoralen Naturstimmungen zurück. Das Klanggebäude wirkt neu und vielschichtig.
Störend ist die lange Pause nach dem zweiten Satz für den Aufmarsch des Chores und der Solisten, die Instrumente werden erneut gestimmt. Die Stimmung und Spannung zerbricht. Das berühmte Thema des finalen Chorsatz zu den Versen von Friedrich Schiller dringt vielerorts durch das Orchester bevor es vom Bass und weiteren Solisten aufgegriffen wird. Der Bayerische Staatsopernchor ist von seinem Chorleiter Christoph Heil gut vorbereitet, im Klang sind die Stimmen zuwenig differenziert und in der Artikulation ungenau. Hanna-Elisabeth Müller ist ein kräftiger Sopran, der die Solistenkolegen übertont. Emily Sierra gefällt mit ihrem warmen Mezzosopran. Daniel Behle sticht mit seinem runden lyrischen Tenor ariös hervor. Christof Fischesser trägt konzentriert vor mit leichtem Vibrato unterlegt.
Großer Jubel und langanhaltender Zuspruch im vollbesetzten Haus.
Dr. Helmut Pitsch
07. November 2024 | Drucken
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