Georg Friedrich Händel Agrippina Prinzregententheater München 10.5.2022
Das Münchner Prinzregententheater ist ein architektonisches Kleinod mit ausgezeichneter Akustik wie dessen Vorlage, das Bayreuther Festspielhaus. Allerdings ohne dessen tiefgelegten Orchestergraben und minimalistischer Ausstattung. Hier ist etwas mehr Barock oder besser Jugendstil in den zahlreichen dekorativen Elementen. So passt das Theater auch bestens für die Aufführung von Barockopern.
Dies nutzt die Bayerische Staatsoper immer wieder gekonnt. Im Rahmen der Opernfestspiele 2019 hatte die Inszenierung der Händel Oper Agrippina von Barrie Kosky Premiere. Der Australier versetzt die Handlung um die machthungrige Agrippina, die listig ihren wenig geeigneten Sohn Nerone zum römischen Herrscher machen möchte in neutrales modernes Ambiente mit aufwendigen eleganten Kostümen. Drei fahrbare eckige Stahlkonstruktionen, deren Inneres der zwei Stockwerke durch Jalousien verdeckt werden können, eignen sich bestens für rasche Szenenwechsel. Eine lange Treppe vermittelt palastartiges Flair. Die Bühnengestaltung stammt von Rebecca Ringst. Dem Regisseur ist viel eingefallen aber zum Glück wirkt alles erfrischend schlüssig, witzig und doch nichts zuviel. Der vierstündige Abend vergeht in schönen Bildern, heiterem lebendigem Spiel eingebettet von der herrlichen Musik des jungen Georg Friedrich Händel.
Mit dieser seiner sechsten Oper schaffte er den Durchbruch und etablierte sich als Opernkomponist. Das Münchner Kammerorchester sitzt im Graben, geleitet von dem Barockspezialisten Stefano Montanari. Fehlt zu Beginn die perfekte Abstimmung entwickelt sich über den Abend ein schwungvoller aufgelockerter Klang, die Spannung wird über die Rezitative gut gehalten und im orchestralen Finale bezaubern die Musiker, allen voran die Bläser mit ihrem gefühlvollen und harmonisch abgestimmten Zusammenspiel und Klang.
Besonderen Wert legt der Dirigent auf die Führung der Stimmen und gerade in den anspruchsvollen Arien unterstützt er die Sänger mit achtsamer Begleitung und säuberlich unterlegten Klangteppichen. Die Titelpartie hat nach Absage von Joyce di Donato die Italienerin Anna Bonitatibus übernommen. Von Barock bis Belcanto reicht das Rollenrepertoire der international gefeierten Mezzosopranistin. Ihre Stimme hat aparten Charakter in dunkler Färbung. Die Koloraturen führt sie sicher über die verschiedenen Lagen und die Höhen sitzen. Ihr Spiel der Intrigantin zeigt ihre Erfahrung und Bühnenpräsenz. Elsa Benoit ist ihre jugendliche Gegenspielerin Poppea, die schnell deren skrupelosen Machenschaften durchschauen kann. Charmant mimt sie die naive Schönheit, die an Erfahrung gewinnt und auch Rache sinnt, um ihren schuldlosen Geliebten Ottone zu retten. Frisch und hell strahlt ihre Stimme. Locker mitunter zu locker gleitet sie in den Koloraturen und Melodien. Sehr schön gestaltet sie ihre Arien in sympathischer Unbekümmertheit.
Mit drei Counterstimmen sind die männlichen Rollen besetzt, die sich in der Wirkung der Kopfstimmen deutlich unterscheiden. Der Brite Iestyn Davies zeigt eine distinguierte gehaltvolle Kopfstimme, die er technisch perfekt formen kannn. Klar artikuliert er auch in Pianistellen und färbt seine Stimme nuancenreich. Sein Ottone sprüht vor Bescheidenheit und Edelmut und kann so die Geliebte Poppea als auch das Publikum überzeugen.
Einen verträumten ungeschickten Muttersohn gestaltet John Holiday in Nerone. Er zeigt einen mächtigen Counter, der mit Volumen trumpft, aber kaum gehaltvoll und nuanciert singt. Der Amerikanische Countertenor Cortez Mitchell gibt sein Debüt an der bayerischen Staatsoper als Narcisco. Gemeinsam mit Mattia Olivieri als Pallante mimt er die machthungrigen Höflinge, die um die Gunst Agrippinas buhlen. Stolz und Macht vermittelt die Basstimme Gianluca Burattos als Claudio, dem totgeglaubten Herrscher. Etwas verulkt von der Regie kann er im Spiel aber auch in Unterhosen Haltung bewahren. Andrew Hamilton vervollständigt als Lesbo die ausgezeichnete Sängerriege.
Das Publikum schenkt viel Beifall und drückt seine Begeisterung lautstark aus.
Dr. Helmut Pitsch
17. Mai 2022 | Drucken
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