Getanzte Perfektion in Dancing Angels in Innsbruck

Xl_8f32f156-adf5-4bf0-9af6-0c4af5a56578 © Tiroler Landestheater

Dancng Angels Tiroler Landestheater 13.5.2022

Getanzte Perfektion in Dancing Angels in Innsbruck 

Dunkel ist die Bühne, Verkehrlärm dringt aus dem Hintergrund. Tangomusik erfrüllt den Raum. Ein Tänzerpaar schreitet auf die Bühne. So beginnt der dreiteilige Tanzabend "Dancing Angels" am Tiroler Landestheater. Der Leiter der gefeierten Ballettcompagnie Enriche Gasa Varga choreografierte das Eingangstück Mareas tituliert. Er stellt die Dunkelheit und Mystik der Nacht der Klarheit und Frische des Tages  im ersten Teil gegenüber. Die Idee der Naturgewalten verbreitert er und gibt den Jahreszeiten ein tänzerisches Bild. Die thematischen Gegensätze bekommen ein ausdruckstarkes Gemälde der Bewegungen in der Abfolge der Auftritte. Auch muikalisch werden südamerikanische Tangoklänge mit barocken Anklängen gemischt  gegenübergestellt.. Körperintensiv athletisch sind die Pas de deux, Gefühlsdeutungen stehen hintan. Eine geschickte Lichtregie verstärkt die Kühle und Expressivität mit farblich abgestimmen Spots. Die Paare in dunkel oder hell gekleidet, stellen die Kontraste der Natur in fliessender Reihenfolge zum Teil parallel dar. Die Choreografie ist von anmutiger moderner Einfachheit und Direktheit geprägt, die die Bewegungen noch intensiver erscheinen lassen und in den Mittelunkt stellen. Rhythmus prägt die schnellen in sich harmonisch übergehenden Abläufe, die von allen Solisten mit Perfektion ausgeführt werden. Am Ende lichtet sich der Bühnenhintergrund, rötlich schimmert ein Sonnenuntergang, heil verbinden sich die Elemente von Tag und Nacht und die Tänzer entweichen.

Ein Kurzfilm gibt im Ansxhluss Einblick in das künstlerische Leben der Tänzer und Tänzerinnen am Landestheater. Der Zuschauer wird durch die Gänge des Theaters geführt, hautnah erlebt er Proben, die gymnastischen Vorarbeiten und Übungen. Der Begleittext führt das Schicksal dieser Tanzleidenschaft vor Augen: der Drang nach Präzision und körperlicher Perfektion und das Risiko von Verletzungen oder zu scheitern. Ein Leben für die Bewegung. Tanz ist Leben.

Gnawa sind eine ethnische Minderheit in Marokko. Bekannt ist ihre rhythmische Musik gespielt auf deren typischen Instrumenten. Mit dieser stark arabisch angehauchten Musik entführt uns der katalanische Choreograph Nacho Duato in die Welt der Nachkommen dieses Volkes. Nacho Duato ist Wegbegleiter von Enrique Gasa Valga und Leiter des Balletts an der Staatsoper unter den Linden. Bekannt ist er für fließend ineinander übergehende Bewegungen und die tänzerische Umsetzungen von existentiellen Fragestellungen. Der Betrachter muss aufmerksam folgen, um die Details in den einzelnen Bewegungen zu verfolgen. Aus Solisten werden Paare oder Gruppen, die sich ineinander verschränken und bilden Formationen in rasend schnellen Schritten. Meditativ ist die Musik aus der Flöte oder von Trommeln geschlagen, zu der der Choreograph viele schwungvolle aufeinanderfolgende Bilder erarbeitet hat, figurativ ausdrucksstark aber auch mit emotionaler Farbe. Wiederum beeindrucken die bestens vorbereiteten Tänzer und Tänzerinnen mit exakter sauberer Ausführung. Der Anspruch liegt in der heiteren transparent lockeren Darstellung die Herausforderung zu verstecken. 

Abstrakt surreal hat sich der Tanzstil von Jiri Kylian entwickelt. Der heute 75 jährige Tscheche hat das moderne Ballett auf dem Weg zum Tanztheater entscheidend beeinflusst. Seine beiden Kreationen Sarabande für sechs Tänzer und Falling Angels für sieben Tänzerinnen bringen dies gut zum Ausdruck. Sechs edle Renaissance Roben hängen über der Bühne, spärlich beleuchtet. Unvermutet entschlüpfen sechs Tänzer in weissen T shirts und dunkler Hose. Statt Musik erklingen Urtöne aus den Kehlen der Tänzer, die Finger und Füsse spielen am Bühnenboden rhythmisch mit und ergänzen die Geräuschkulisse. In lässig perfekt abgestimmten Bewegungen entledigen sich die Tänzer ihrer T Shirts und auch der Hosen. Beide werden zur Tanzrequisiten. Dazwischen klingen Fragmente barocker Musik von Johann Sebastian Bach. Sarabande ist eine alte höfische Tanzform aus Spanien. Ursprünglich wurde der Tanz als lasziv revolutionär angesehen und zumeist von Männern in Frauenkleidern getanzt. Dies setzt Kilian als Thematik in seiner Choreografie um. Gewalt, Aggressivität verpackt in humoresker Leichtigkeit reißen das Publikum mit.

Falling Angels im Anschluss ist ein Tanzstück für sieben Tänzerinnen. Begleitet von Trommelklängen von Steve Reich zeigen die Tänzerinnen das innige Streben nach Perfektion, und die allgegenwärtige Gefahr des Scheiterns. Die Vielfalt der entwickelten Tanzfiguren, Schritte und Verstrickungen in den Bewegungen zeigen die hohe Fertigkeiten der Compagnie wie die Inspiration des Choreografen. Der Abend bietet meisterhafte künstlerische Leistungen in einem sehr breit aufgefächerten Band an expressiven Choreografiestilen. Das Publikum feiert wiederum ausgiebig seine Lieblinge.

 

Dr- Helmut Pitsch

| Drucken

Kommentare

Loading