Gian Carlo Menotti Das Medium - Eine Rarität zum Entdecken

Xl_1615808641_x_202101dasmediumhp1brianekf-23 © Marie Laure Briane

Die persönlichen Erlebnisse Gian Carlo Menottis bei einer Seance, welche er 1936 in Österreich mitmachte, veranlassten ihn, diese für einen Kompositionsauftrag als Inhalt textlich und musikalisch umzusetzen. Daraus entstand die Oper „Das Medium“, welche 1946 in New York erfolgreich Premiere hatte. Auch am Broadway feierte die Oper einen großen Erfolg und zählt zu den häufiger gespielten Werken des Italieners, der einen Großteil seines Lebens in Amerika verbracht hat.

Am Gärtnerplatztheater feierte die Neuinszenierung in der Regie von Maximilian Berling gestern Premiere. Pandemiebedingt war die Öffentlichkeit ausgeschlossen, ein paar Zuschauer gab es trotzdem, die die gelungene Umsetzung live erleben durften. Die Urfassung der Oper ist englisch, hier am Gärtnerplatz wird deutsch gesungen.

Madame Flora bringt sich und ihre Tochter Monica, sowie den stummen adoptierten Toby als Einwanderin mit getürkten Geisterbeschwörungen durch, die sie gemeinsam mit ihren Kindern und technischen Raffinessen gestaltet. Auf einem runden Podest auf der Bühne liegen und stehen ein paar Möbel herum. Das Orchester sitzt mit auf der Bühne quasi im Wohnzimmer. Monica und Toby betreten das Podest und bereiten die nächste Sitzung vor. Es ist gleich erkennbar, dass die beiden sich gut verstehen und nahestehen, und die Arbeit in harmonischem Spiel erledigen. Mit Erscheinen ihrer Mutter Madame Flora im strengen dunklen Outfit mit Brille und Turban wird die Stimmung gedrückter. Die Gäste, Mr und Mrs Gobineau und Mrs Nolan erscheinen. Kleidung, Kostüme und Innenraumgestaltung ist der Entstehungszeit nachempfunden. Rauch steigt mystisch aus einem Gefäß am Tisch von Madame Flora, auch Baba genannt auf. Schnell erscheint eine vermeintliche Stimme aus dem Jenseits, eine Figur erscheint schemenhaft. Mrs Nolan erkennt ihre Tochter und spricht aufgeregt mit dem Geist, gemimt von Madame Floras Tochter Monica. Die Erscheinung verschwindet, Lichter flackern erneut fremdartige gespenstische Geräusche erklingen. Das Licht geht plötzlich aus. Madame Flora schreckt auf, eine Hand habe sie berührt. Aufgebracht schließt sie die Seance. Sie verdächtigt Tony, und ihr Verhältnis und Verhalten zu dem bei einem Aufenthalt angenommenen Zigeunerkind Toby steuert auf die Katastrophe zu, angeheizt durch ihren gesteigerten Alkoholkonsum auf bereits hohem Niveau. Mit einem Schlaflied versucht Monica die Mutter zu beschwichtigen.

Zu Beginn des zweiten Aktes spielen wiederum Monica und Toby auf der Bühne. Toby erklärt seine Liebe in Gebärdensprache, die Monica gefühlvoll übersetzt. Die Stimmung gefriert mit dem Erscheinen von Madame Flora, die in einer ausufernden Auseinandersetzung den am Boden liegenden Toby schlägt. Die Gäste kommen wieder, um eine weitere Seance bei Flora abzuhalten. Diese aber lehnt ab, gesteht den Betrug und will auch das Geld zurückgeben. Die Gäste glauben nicht und wollen die Sitzung, um mit ihren Liebsten in Kontakt zu treten. Immer mehr dem Wahnsinn und Alkohol verfallen wirft sie die Gäste als auch Toby hinaus. Sie hört Stimmen, sieht Geister und greift zum Revolver. Toby kehrt schleichend zurück, wird von der Wahnsinnigen ertappt und erschossen.

Die musikalische Umsetzung der spannungsgeladenen lebendigen Geschichte ist expressiv, stark dem Rhythmus unterworfen. Aber es gibt auch sehr intensive romantische arios aufgesetzte Stellen, insbesondere für Monica, die von Andreja Zidaric bestens dargestellt wird. Rein, klar, sehr sauber in der Intonation kann sie die Anforderungen an Sprünge und Liedbögen realisieren. Zumeist ist Sprechgesang im Staccato Stil angesagt, auch als bewußtes Stimmungselement. Anlehnungen an Jazz sowie epische Filmmusik für die mystischen Geisterszenen sind erkennbar. Madame Flora wird sehr ausgeprägt und präsent von Anna Agathonos auf die Bühne gebracht. Kernig ihre Stimme, vollmundig und kernig im Timbre, aber ohne schrill in der Höhe zu sein. Die Rolle des stummen Toby übernimmt Christian Schleinzer gefällig, auch wenn er mit seinem blonden Äußeren nicht wie ein Zigeunerkind wirkt.  Elaine Ortiz Arandes und Timos Sirlantzis überzeugen als Mr. und Mrs. Gobineau sowie Ann Katrin Naidu als Mrs Nolan.

Am Pult des kammermusikalisch besetzen Orchesters zeigt der Dirigent Andreas Partilla fundiertes Einfühlungsvermögen und Kenntnis der Musik Menottis und erreicht viele eindrucksvolle Hörerlebnisse und Eindrücke zu. Spannend erzeugt er die geisterhaften Klangwelten, scharf untermalt er die Auseinandersetzungen und gibt dem Wahnsinn auch eine musikalische Note.

Von den wenigen Zuschauern kommt kräftiger Applaus.

Dr.Helmut Pitsch

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