Gigantomanie zur musikalischen Andacht von Kirill Petrenko verdichtet.

Xl_1._akademiekonzert_2023-24_k.petrenko_c_w.hoesl © Winfried Hösl

Akademiekonzert München Kirill Petrenko 11.10.2023

Gigantomanie zur musikalischen Andacht von Kirill Petrenko verdichtet.

Bis 2019 war Kirill Petrenko musikalischer Leiter der Bayerischen Stastsoper und des hauseigenen Bayerischen Staatsorchesters, das dieses Jahr sein unglaublich 500 jähriges Jubiläum feiert und somit zu den ältesten Orchestern der Welt zählt. Nun kehrt er zu den Feierlichkeiten als Dirigent für drei Aufführungen des wohl monumentalsten symphonischen Werkes, der achten Symphonie von Gustav Mahler nach München zurück.

Auch Gustav Mahler hat vielschichtige Verbindungen zur bayerischen Hauptstadt insbesondere wurde diese bedeutende Komposition von ihm 1910 hier uraufgeführt.Die Symphonie entstand rasch in einer glücklichen Schaffensphase Mahlers. Er widmete sie seiner Frau Alma. Sie besteht aus zwei Teilen, die in ihrer Gestaltung und Textvorlage sehr unterschiedlich sind. Durch diesen sperrigen Charakter und des enormen Aufführungsaufwandes erfreut es sich geringerer Beliebtheit und wird selten aufgeführt. Die achte Symphonie wird aufgrund der großangelegten Besetzung mit zwei Chören, Kinderchor und sechs Solisten neben großem Symphonieorchester auch Symphonie der Tausend genannt.

Zu Beginn wird ein Hymnus des geistlichen Gelehrten Rhabanus Maurus vertont. „Veni Creator“ - komme Schöpfer wird breit ausgefaltet und verleiht dem Eingangssatz oratorienhafte Züge. Dominant führt der Chor den Psalm. Zwei Themen werden in klassischer Sonatenform verarbeitet.

Als herber Kontrast erscheint im folgenden Teil die Vertonung des Schlusstextes aus Wolfgang von Goethes Faust der Tragödie zweiter Teil. „ Das ewig weibliche“ einer der meistzitierten deutschen Sätze wird in romantischen Klangfarben und Naturstimmungen gekleidet. Mahler versucht in seinem Schaffen etwas Menschliches zu erzählen. So findet sich in der Liebe das Bindeglied dieser gegensätzlichen Teile, die im Erlebnis schwer zusammen finden aber in ihrer Größe und Wucht aber auch Finesse der musikalischen Ausarbeitung ihre Wirkung nicht verfehlen.

Dazu hat Kirill Petrenko auch noch Teile der Musiker im Haus verteilt und eine Solistin, die Mater Gloriosa aus der Königsloge singen lassen. Fast fühlt sich das Nationaltheater mit immerhin über 2000 Sitzen zu klein für die Fülle und Monstrosität der Entladungen der typisch Mahlerschen Steigerungen an.

Hier müssen die Solisten und Solistinnen ihren Mann / Frau stehen, um gegen die Chöre und orchestrale Präsenz anzukommen. Rachel Willis Sorensen als Magna peccatrix stemmt sich mit ihrem vollen ins dramatische gehenden Sopran mächtig dagegen und verliert mitunter Klarheit. Johanni van Oostrum gelingt es mit gut geführter weich unterlegter Sopranstimme ihre Melodien schimmernd zu definieren.  Nur kurz ist der Part von Jasmin Delfs aus der Königsloge heraus, aber die Innigkeit und Strahlkraft in ihren Worten kommt beim Zuhörer gut an. Jennifer Johnston passt sich mit der Klangfarbe ihres Mezzo gut ein. Ihr satt volles Stimmvolumen unterstützt ihre Gut ausgeführte Interpretation. Okka von der Damerau ist dem Münchner Publikum gut bekannt. An diesem Abend kann sie ihren Mezzo nicht voll entfalten und bleibt zu leise.

Dagegen überzeugt Benjamin Bruns mit kräftigen klaren Tönen seines Tenors. Christoph Pohl und Georg Zeppenfeld runden das Solistenensemble nach unten mit präsenten fülligen Tiefen, die ihre Melodien herrlich aussingen.

Die Stars in dieser Aufführung sind die zahlreichen Mitglieder der Chöre, die, im Hintergrund aufgereiht, bestens einstudiert ihre Aufgabe mit Bravour meistern und das Haus zum Beben bringen aber auch lyrisch einträchtig nahezu liedartig klingen können. Neben dem Bayerischer Staatsopernchor besticht der Staatschor Latvija und insbesondere die Publikumslieblinge, der Tölzer Knabenchor.

All diese Musiker führt Kirill Petrenko mit fester Hand und ausdrucksstarken Gesten zusammen. Mit Gespür und strenger Führung gelingen athmosphärische Steigerungen mit vollstem Klang, die unvermittelt abgebrochen in ruhige Fahrwasser verschwinden. Ein Wechselbad der Gefühle entwickelt sich aus der emotionsgeladenen Partitur mit durchdringenden Klangfarben. Ein geosser Abend würdig für ein solch außerordentliches Jubiläum.

Die Begeisterung im Publikum will nicht enden. Mit stehenden Ovationen werden alle Künstler gebührend gefeiert.

Dr. Helmut Pitsch

 

 

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading