Franz Lehar Giuditta Bayerische Staatsoper - 6.1.2022
Giuditta von Franz Lehar erstmals in München als überfrachtetes wenig überzeugendes Experiment
Wieder einmal masst sich ein Regisseur an, an Bestehendes Bewährtes verändernde bzw wie in diesem Fall vernichtende Hand anzulegen. So geschehen am Nationaltheater in München von Regisseur enfant terrible Christoph Marthaler und Malte Ubenauf. Das Werk wird erstmals an der Bayerischen Staatsoper aufgeführt.
Aus dem harmonischen Ganzen von Franz Lehars letzter Operette Giudittta, sehr erfolgreich 1934 an der Wiener Staatsoper uraufgeführt, entsteht so ein konturloser widersprüchlicher endloser Brei aus Textfragmenten von Ödön von Horvaths Theaterstück Sladek oder die schwarze Armee und Musikstücken einiger Zeitgenossen Lehars wie Alban Berg, Arnold Schönberg, Erich Wolfgang Korngold, Dimitri Schostakovich und anderer. Inhaltslos und wirr wirkt das szenische Experiment und der Abend wird zur Geduldsprobe für den Besucher, die Pause wird zahlreich genutzt, um dem Mühsal ein Ende zu bereiten.
Die Regie der neuinszenierung ist einfallslos statisch, die für Marthaler üblichen Turnereien und belanglosen Blödeleien lenken darüber hinaus zusätzlich von der Handlung ab. Das Ganze passiert in einem trostlosen Fertigbeton Turnsaalambiente, weiss und grün ausgetüncht. Dazu Alltagsmöbel, die ab und an durch die Luft fliegen.Wenig Phantasie zeigen auch die Kostüme, die der Entstehungszeit des Werkes entnommen sind (Bühne und Kostüme von Anna Viebrock). Tristesse überwiegt.
Traurig für die Künstler, die bemüht versuchen hier noch ihre Identität zu finden. Vida Mikneviciute in der Titelrolle ist keine Operettensängerin. Ihr Sopran ist zu dramatisch und unsauber in der Höhe. Daniel Behle hat ein feinen lyrischen Tenor, der als Octavio nicht aufblüht. Sebastian Kohlhepp als Sladek und Kerstin Avemo als Anna können in der Arie "Glück, das mir verbleib" aus der Oper die tote Stadt von Erich W. Korngold punkten. Viel Raum nimmt das Sprechtheater und somit die Schauspieler ein. Aus dem Graben heraus kann Titus Engel wenig Substanz aus diesem Potpourri beitragen.
Mag sein, dass hier viele kluge Ideen nicht zusammen gefunden haben aber musikalisch zeigt sich, dass die Operette nicht die kleine Schwester der Oper ist sondern höchste Anforderungen an alle Beteiligte stellt, denen nicht alle gewachsen sind.
Nach heftigen Buhs zur Premiere gibt es hier nur mehr kurzen höflichen Applaus.
Dr. Helmut Pitsch
06. Januar 2022 | Drucken
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