Grange Park Opera setzt mit eigener Filmproduktion Owen Wingrave von Benjamin Britten ein starkes Zeichen
Die Oper gehört zu den selten gespielten Raritäten. Benjamin Britten komponierte sie in den späten sechziger Jahren als Ausdruck seiner pazifistischen Haltung. Als Vorlage diente die gleichnamige Kurzgeschichte von Henry James, die im ausgehenden 19. Jahrhundert spielt. Die Uraufführung fand 1971 im Fernsehen und 1973 im Royal Opera House Covent Garden in London statt.
Owen Wingrave ist Spross einer wohlhabenden englischen Familie mit großer Verbundenheit zum Militär. Während seiner Ausbildung an der Militärakademie gerät Owen in einen schwerwiegenden Konflikt mit seiner Familie, Freunden, Ausbildner und auch seiner Verlobten ob seiner das Militär ablehnenden Haltung. Die Auseinandersetzung endet tragisch im Selbstmord.
Grange Park Opera ist eine privat finanzierte britische Operngesellschaft, die ein feines kleines Opernhaus und Opernfestival in der Nähe von London betreibt. Die künstlerische Qualität und die professionelle Umsetzung im Opernbetrieb haben seit dem Bestehen zu einem hohen internationalen Ansehen geführt. Schwer getroffen von den Pandemie bedingten Auflagen und Schließungen reagiert die Leitung nun mit einer filmischen Umsetzung in Eigenproduktion dieser selten gespielten Oper des bedeutenden britischen Komponisten. Unter dem originellen Label The Pandemistic Opera in Anlehnung an Metro Goldwin Mayer „brüllt“ ein Eichkätzchen im Vorspann.
In ausdrucksstarken Bildern führt der in S/W gedrehte Film in der Regie von Stephan Metcalf zuerst an die Militärakademie und anschliessend in das stattliche Haus der Familie Wingrave, wo im Salon und Stiegenhaus die hartherzigen Auseinandersetzungen des sensiblen einfühlsamen Owen mit den geschlossen gegen ihn agierenden restlichen Protagonisten in der Jetztzeit stattfinden.
Benjamin Britten verzichtet in der Komposition auf ausschweifende Melodien. Giftig spritzig nahezu a capella fluten die herzlosen Worte des Ausbildners Mr Coyle sowie der Eltern Wingrave auf den sensiblen Owen ein. Die Instrumentierung mit Piano, Trompete und Schlagzeug ist in der Färbung kalt. Alles bekommt einen militärisch zackigen Ton, wo kein Platz für Emotionen aufkommt. Ein Kinderchor sorgt für einen geraduzu himmlischen engelsgleichen Ausklang. James Henshaw leitet die musikalische Umsetzung als Dirigent.
In der Titelrolle leidet Ross Ramgobin überzeugend als feinfühliger im Kampf hilfloser Owen Wingrave, der es aussichtslos versucht seine Familie und seine Verlobte für seine Gefühle einzunehmen. Sein Bariton verfügt über ausnehmend vollmundige Wärme überzeugen und der zumeist im spitzen Sprechgesang geführte Dialog bekommt durch seine Stimmfärbung markante Konturen. Susan Bullick und Richard Berkeley Steele verleihen seinen Eltern Mrs Wingrave und Sir Philip Wingrave ein britisches fremdgesteuertes upper class Image, metallen und staccato artig Autorität versprühend. William Dazeley ist der Ausbildner Mr Coyle, der Momente der erzieherischen Einfühlung in seine Interpretation einbaut. Überzeugend wirkt Kitty Whately als Kate, der Verlobten von Owen. Die eigene Unsicherheit und Charakterschwäche bringt sie mit kräftigen und ariös ausgestalteten Mezzosopran zum Ausdruck, der eine emotionale Brücke zu Owen aufbaut. Diese aber reissts sie mit dramatischem Ausbruch gekonnt wieder ein, um im Schlussbild den Verlust ehrlich gefühlt zu beweinen. James Kelly verfolgt die Handlung als Owens orientierungsloser Freund Lechmere, der versucht aus der allgemeinen Stimmungslage Kapital zu schlagen. Seine Tenorstimme verfügt über einen weichen lyrischen Klang.
09. Dezember 2020 | Drucken
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