Große Begeisterung und beste Stimmung herrschte am Premierenabend der von der Staatsoper Berlin übernommenen Produktion von Giuseppe Verdi Falstaff, in der Regie von Mario Martone. Spanien und die SpanierInnen erfreuen sich des großen Privilegs auch in Zeiten von Pandemie einen Kulturbetrieb aufrecht erhalten zu dürfen. Der leidgeprüfte Mitteleuropäer, nach Kultur darbend, kann hier nur neidvoll aber umso glücklicher an einer gewissen Normalität teilhaben. Strenge Hygienevorschriften wie Temperaturkontrolle, Maskenpflicht, Abstande, vorgeschriebene Bewegungsströme, geschlossene Garderoben und Büffets ermöglichen den Institutionen Veranstaltungen mit bis zu 50% Auslastung. Und das Publikum nimmt entspannt und mit Freuden das Angebot an, gerade im vom Virus schwer getroffenen Spanien zeigt Kultur und gerade Musik und Oper seine seelische Kraft.
Da stört auch nicht das etwas anrüchige Bühnenbild von Margaherita Polli, die den Titelheld in der verkommenen Gosse ansiedelt, die Wirtschaft in einem ungepflegten Hinterhof mit anrüchiger Gesellschaft. Ganz im krassen Gegensatz das moderne helle Designerhaus der Fords mit Pool und Fitnessraum. Die eleganten Damen der vornehmen Gesellschaft steckt Ursula Patzak sehr hübsch anzusehen in flotte Kleider. Märchenhaft wirkt mit wallenden wehenden Vorhängen und mystischen Lichteffekten das letzte Bild. Viel nacktes Fleisch sorgt für optische Abwechslung.
Musikalisch gestaltet Daniele Rustioni am Pult des Orquestra de la Communitat Valenciana einen schwungvollen zackig im Rhythmus geschlagenen Verdi. Mit Abstand und Plexiglaswänden sitzt das Orchester im Graben, Masken sind Pflicht, wie auch für die Statisten auf der Bühne. Flott sind die gewählten Tempi und auch an der Laufstärke wird aufgedreht. Das letzte Werk des großen italienischen Opernkomponisten wirkt jung, frisch und sehr präsent. In Massenszenen sowie in der berühmten Schlussfuge „tutto nel mondo e burla“ (Alles ist Spaß auf Erden) kommt es zu kleinen Unstimmigkeiten in den Einsätzen.
Merklich viel Spaß haben alle Beteiligten auf der Bühne, die Freude vor einem Publikum auftreten zu dürfen ist im Gesicht, im Spiel erkennbar. Allen voran brilliert Ambrogio Maestri in seiner Glanzrolle als Titelheld. Der dicke, in die Jahre und in wirtschaftliche Bedrängnis gekommene alte Ritter Falstaff ist dem Italiener wahrlich auf dem Leib geschrieben. Seine tolpatschigen Versuche über eine wirtschaftlich attraktive Amour seine Situation zu verbessern scheitern in unterhaltsamen mitleiderregenden Abenteuern, in denen dem ehemals feinem Herren wahrlich die Hörner aufgesetzt werden. William Shakespeare lieferte die Vorlage, Arrigo Boito machte daraus das Libretto und Giuseppe Verdi schuf daraus einige der wenigen großen Opernkomödien.
Stimmlich zeigt sich Ambrogio Maestri nicht zuletzt durch die aufoktroierte Zwangspause in bester Verfassung. Mächtig erklingt sein voller Bariton, der auch in Piani noch vollmundig klingt. Die Höhen intoniert er zumeist tief und zieht den Ton in die Höhe. Ainhoa Arteta ist seine kesse selbstbewußte Gegenspielern Alice Ford. Natürlich souverän ist ihr selbstbewußtes Spiel gepaart mit einer geschickt verborgenen Dramatik in ihrem hellen Sopran. Chiara Amaru ist ihre Mitspielern in den ausgeklügelten Streichen, die sich edel zurückhält aber stimmlich sehr fein und sicher ist. Ein Wiedersehen mit Violeta Urmana ermöglicht ihre Mitwirkung als Mrs Quickly, die den beiden Damen auf Liebesabenteuer als ehrenhafte sehr präsente Überbringerin von Briefen an den Helden hilft. Sara Blanch und Juan Francisco Gatell bilden als Nanetta und Fenton ein überzeugendes Liebespaar und erfreuen mit zwei jungen klaren und höhensicheren Stimmen. Dazu gelingt dem am Fuß verletzten Tenor mit Krücken ein artistisches Kunststück auf der Bühne.
Davide Luciano ist ein international gefragter Bariton. Stimmlich meistert er einen fordernden entschieden auftretenden Ford, aber im Spiel verliert er gegenüber den perfekt zusammenspielenden Damen und präsenten Titelhelden.
Herzlicher und langanhaltender Applaus des begeisterten Publikums erzeugt fühlbare Freude und Hochstimmung auf der Bühne bei den Künstlern. Dem Publikum bleibt als Abschluß noch die imposante unvergeßliche Kulisse des modernen Opernhauses, geschaffen vom aus Valencia stammenden Architekten Santiago Calatrava.
03. März 2021 | Drucken
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