Grosse Symphonik als klassische Ernte

Xl_erl_festspielhaus_3_cornelia_hoschek © Cornelia Hoschek

Erntedankfest Tiroler Festspiele Erl 29.9.2022

Grosse Symphonik als klassische Ernte

Ein Dank für die klassische Musikwelt steckt hinter diesem neuen Programmformat der Tiroler Festspiele mit dem Titel Erntedankfest zur Überbrückung zwischen Sommer- und Winterfestspiele. An vier aufeinander folgenden Abenden finden symphonische Konzerte des Festspielorchesters unter Leitung verschiedener Dirigenten und Mitwirkung verschiedener Solisten statt.

Zur Eröffnung steht der im Frühjahr diesen Jahres ernannte Chefdirigent Erik Nielsen am Pult und präsentiert mit der symphonischen Dichtung „Le chasseur maudit“ von Cesar Franck ein zu Untecht selten gespieltes Werk des bedeutenden französischen Romantikers. Zu deutsch „der wilde Jäger“ vertont Franck in vier Szenen das Gedicht von Gottfried August Bürger vom überheblichen Jäger, der kirchliche Gebote missachtend auch Sonntags zur Jagd geht und von Dämonen und Naturgewalten überwältigt wird.

Prächtig malt Nielsen die Szenerie als einprägsames Naturereignis und fordert der Reihe nach die Instrumente heraus. Hörner schmettern markige Fanfaren in kerniger Lautstärke, leicht beschwingt taucht eine liebliche Landschaft auf. Glocken rufen zum Gottesdienst, während der Jäger in rasendem Streicherklang davonstürmt. Wild toben die Dämonen in zackigen Schlägen laut und aufbrausend. Fordernd streicht die Hand des Dirigent über die Köpfe der Musiker, immer wieder folgt auf ein tosendes Tutti eine Generalpause, die nicht zur Beruhigung gedacht ist. Wirkungsvoll ist auch der Schwung und Fluss der herausgearbeitet wird.

Pausenlos geht es über zum zweiten Werk des Abends. Gustav Mahlers erste Symphonie in D Dur. Das Frühwerk des großen Symphonikers ist noch fest in der Romantik und Klassik verankert, lässt aber schon die ausschweifende Harmonik erkennen, die dessen Spätwerke kennzeichnen. Erik Nielsen bringt eine schnörkellose, muntere und frische Interpretation. Er schwelgt wenig in Stimmungen, sondern hält strikt die Tempi. Wiederum feilt er an Lautstärke und Rhythmik, als Ausdrucksmerkmale. Die Musiker sind gut vorbereitet und folgen mit großer Aufmerksamkeit und Spielfreude. Der Orchesterklang hat sich über die Jahre bestens entwickelt und gehaltvoll füllt er das Festspielhaus. Erfreulich sicher und präsent beeindrucken die Bläser, die Streicher fügen sich zu einem samtenen Klangteppich, der Mahlers Melancholie und romantische Landschaftsmalereien ausfüllt. Zu recht schwankte Mahler in seiner Beurteilung des Werkes in der Schaffensperiode zwischen symphonischer Dichtung oder Symphonie. Auch trug das Werk kurze Zeit den Titel „Der Titan“ nach dem gleichnamigen Roman von Jean Paul. Immer wieder greift Mahler ländliche Tänze oder Volkslieder auf und verarbeitet diese. So auch im langsamen dritten Satz das bekannte französische Kinderlied „Frere Jacques“, das in Moll mutiert wie ein Trauermarsch anmutet.

Grosser langer Beifall.

Dr. Helmut Pitsch

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