Herausfordernd aber schlüssig und modern – die Wiederaufnahme von Onegin lebt in Regie und Dirigat

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Peter I Tschaikowski Eugen Onegin Bayerische Staatsoper 17.1.2023

Herausfordernd aber schlüssig und modern – die Wiederaufnahme von Onegin lebt in Regie und  Dirigat

Die Homosexualität Tschaikowski hat immer wieder zu Spekulationen, Diskussionen, Dokumentationen geführt, als auch Stoff für Filme geliefert. Der polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski hat diese mit der Frage verknüpft, ist Eugen Onegin aus der gleichnamigen Oper homosexuell und besteht ein Verhältnis zwischen ihm und Lenski, welches tragisch im Duell und dessen Tod endet. Geschickt und offenkundig geht er an diese Frage heran und bringt in der Personenführung dieses Konzept schlüssig und progressiv zum Leben. Onegin verweigert die Liebe zu Tatjana aufgrund seiner Gefühle für Lenski, küsst diesen als Antwort auf die Herausforderung zum Duell, das Duell findet dann im Schlafzimmer statt und zu dessen Gewissensbissen nach der Tat wird von einer strammen Männerriege, Cowboys mit nacktem Oberkörper und Hut, die Polonaise zur homophoben Anmache (Saar Magal Choreografie). Das Bett wird auch zur Stätte der melodramatischen Wiederbegegnung zwischen Tatjana und Onegin.

Seine Partnerin Malgorzata Szczesniak hat dafür das Landschloss der Larin in ein modernes großzügiges Haus mit Panoramafenster, Spielautomaten, Fernseher und Lederfauteuil gemacht. Die 60iger Jahr bestimmen farbenfroh ihre Kostüme. Es wird getanzt, üppig gefeiert und immer wieder darf sich jemand auf der Bühne entkleiden oder ankleiden. Ohne Unterbrechung ist der Fluß der Handlung so geschickt aufgebaut.

Ebenso geschickt geht der Dirigent dieser Wiederaufnahme, der Russe Timur Zangiev mit der hochromantischen von Melancholie getragenen Musik um. Noch keine 30 Jahre alt hat er bereits sehr viel praktische Opernerfahrung an verschiedenen Häusern in Moskau gewonnen. Die Routine erkennt man.  Die verschiedenen Themen läßt er dominant über dem Orchester flirren ohne in kitschige russische Seele zu verfallen. Sehr transparent ohne gepresste Lautstärke verleiht er seiner Interpretation frische Jugendlichkeit, Fröhlichkeit und positive Aufbruchstimmung. Nur selten lässt er die Tragödie der Liebesgeschichte in blumigen Facetten erscheinen. Das Orchester zeigt sich in bester Verfassung, spielt sicher und akzentuiert und mit viel Schwung.

Die Sängerbesetzung präsentiert durchgängig neue Stimmen für diese gerade in Zeiten aktueller Genderdiskussionen unverändert modern ansprechenden Inszenierung. In der Titelrolle präsentiert Elena Guseva ihre kräftige dunkle Stimme, die in den Höhen rauh und ungebändigt enttäuscht. Im Spiel ist sie keine verschreckte, wohlbehütete reiche Tochter vom Land, sondern eine moderne selbstbewusste Frau, die als erste Jeans und Cowboystiefel trägt, eine Parallele zu dem bereits zitierten Männerballett. Victoria Karkacheva ist eine blasse Olga, die in der Inszenierung wenig Raum einnimmt.

Gelungen ist die Besetzung der männlichen Rollen. Roman Burdenko mimt einen umtriebigen charmanten Onegin. Weit zieht er seine Gesangsbögen, versorgt diese mit seinem weichen hellen Timbre und zeigt auch in den Höhen keine Schwierigkeiten. Den gestümen Lenski verleiht Bogdan Volkov mit seinem strahlenden Tenor viel Ausdruck und Gefühl. Sicher führt er seine Stimme in die Höhe, bleibt in allen Lagen locker und klar intoniert. Viel Beifall erntet zurecht Günther Groissböck mit seinem kräftigen schillernden Bass. Bestens trainiert zeigt er sich mit dem Männerballett im Unterhemd als Saretzki, Adjudant Lenskis im Duett und schlüpft auf der Bühne in Hemd und Uniform, um als Fürst Gremin betörend die junge Liebe zu seiner Frau Tatjana zu beschwören.

In den Nebenrollen überzeugen Lindsay Ammann als Larina und Larissa Dladkova als Filipjewna.  Den Chor hat einmal mehr Sören Eckhoff bestens vorbereitet und auch darstellerisch übernimmt dieser in dieser Inszenierung eine wichtige Funktion.

Viel Beifall für diesen besonders durch den Dirigenten sehr schwungvoll und spannend gehaltenen Opernabend.

Dr. Helmut Pitsch

 

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