Herausragende Würdigung Stravinskys in Bukarest

Xl_cf0b3bee-0b8d-4e9b-bd6e-2d706cb51646 © Helmut Pitsch

George Enescu Festival Bukarest Großes Orchesterkonzert 1.9.2021Radio Symphonieorchester Berlin Vladimir Jurowski 

Herausragende Würdigung Stravinskys in Bukarest

Rare Kostbarkeiten aus dem Werken des russischen Komponisten präsentiert der künstlerische Direktor des George Enescu Festivals in Bukarest Vladimir Jurowski. Gemeinsam mit seinem Radio Symphonie Orchester Berlin, das er seit Jahren leitet hat er prägende aber auch selten aufgeführte Werke unter dem Titel „In memoriam Igor Stravinsky, zum 50. Todestag“ ausgewählt. Im großen Konzertsaal der rumänischen Hauptstadt versammelt sich das kulturbegeisterte Publikum bunt gemischt mit internationalen Gästen, auch das Fernsehen ist für eine Aufzeichnung vertreten, feiert das Festival selbst seine 25. Auflage.

Am Beginn steht das Werk „The Flood“, die Sintflut. Ein musikalisches Schauspiel zur biblischen Handlung der Schöpfung, Vertreibung aus dem Paradies und dem Bau der Arche durch Noah mit der alles vernichtenden Sintflut als göttliche Bestrafung der Menschheit. Das Libretto ist in Englisch und die Uraufführung fand 1962 in Santa Fe in den Vereinigten Staaten statt. Das siebenteilige Werk ist für große Orchesterbesetzung, Sprecher/ Erzähler, Tenor in der Rolle des Luzifer und zwei Bässe als Stimme Gottes und Chor geschrieben. Ausgeprägt sind expressionistischen Züge des Kompositionsstils Stravinskys mit rhythmischer Durchdringung. Treibend ist der Grundtenor des Stückes, das auch als Ballettmusik konzipiert ist. Der Erzähler schlüpft in verschiedene Rollen und würzt mit fremdartigen Stimmlagen den Unterhaltungscharakter des Werkes, das neben sakralen Elementen zahlreiche tänzerische Sequenzen umfasst. Robert Powell zeigt sich sehr beweglich in der Stimme als Erzähler, Noah und dessen Weib. Vladimir Ognev und Bastian Kohl verschaffen göttliche Strahlung mit ihren vollmundigen aber auch sängerischen Bassstimmen, Ivan Tursic mimt ein schlüpfrigen, verführerischen Luzifer. Das bunte Klangpaket schnürt Vladimir Jurowski am Pult, der die große Zahl der Mitwirkenden fest im Griff und Takt hält. Exakt und markant schlägt er Tempo und Takt, hält an Fermati fest und zeigt klar die Einsätze. Ein aufregendes Werk, das durch seine außergewöhnlichen Facetten mitreisst.

Im Anschluss wird eine weitere Ehrung präsentiert. Aldous Huxley, dem Schriftsteller und Freund in memoriam hat Stravinsky angesichts des Todes 1963 seine Variationen gewidmet. Für kleine Besetzung sind diese von der Zwölftonmusik inspiriert. Kantig, markant ist die schlichte Melodieführung in typischer rhythmischer Dominanz. Dem Wechselspiel zwischen den Soloinstrumenten oder den Bläser- und Streichergruppen ist ein besonderer Effekt inne, der kanon- oder echoartig wirkt. Wiederum ist präzise Einsatzführung durch den Dirigenten der Schlüssel zu einer packenden Umsetzung dieses Spätwerkes Stravinskys.

Früh, 1920, schuf er hingegen seine Bläsersymphonie. Das einsätzige Werk hat seinen Ursprung in einem Choral, den er zum Tod Claude Debussys verfasste. Verschiedene Morive sind ohne Bezug farbig aneinander gereiht und entlocken im Zusammenspiel der einzelnen Instrumente ein besonderes Klanggefühl. Die Ausdruckskraft der Blasinstrumente wird geschickt verquickt und zu einem abwechslungsreichen Ganzes zusammengebaut.

Wiederum wird aufwendig umgebaut und ein weiteres außergewöhnliches Ouevre gespielt. „Renard“, der Fuchs, eine burleske Geschichte für Sänger, die als einaktige Oper auch szenisch aufgeführt wird und öfters auch als Ballett choreografiert wurde. Der Fuchs wird von Hahn, Katze und Ziege in Verwicklungen gebracht und am Ende triumphieren die Drei über den Besiegten. Das Frühwerk beeindruckt durch seine bereits klar erkennbaren Stilelement Rhythmik und expressive Harmonien, bzw weiche Dissonanzen die erzählerischen Charakter besitzen.

Nach einer kurzen Pause krönt der Abend in einer herausragenden Interpretation von Stravinskys großem Frühwerk „Les Noces“, die Bauernhochzeit für vier Klaviere, Schlagzeug, vier Gesangssolisten und Chor. Unverkennbar werden hier Parallelen zur deutlich jüngeren Carmina Burana von Carl Orff wach. Stravinsky schöpft aus der Klangvielfalt der Stimmen und Instrumente und erarbeitet in dominant vorwärts treibenden Rhythmen gestalterische Erzählmittel. Insofern eignet es sich auch für Ballettaufführungen. Die Stimmen werden wie Instrumente behandelt und in den Klangkörper integriert. Der George Enescu Philharmonische Chor besticht hier bestens vorbereitet wie auch das Orchester. Vladimir Jurowski führt wieder ruhig ohne große Gesten alle Mitwirkenden. Auch hier ist die Klarheit und Strenge der Rhythmik der Spannungsbogen. Pausen und Haltepunkte untermauern die Wirkung. Das Publikum ist sichtlich vom Werk gebannt und folgt ruhig und konzentriert. Umrahmt wird der Abend auf der großen Bühne mit multimedialen Videoinstallationen die zumeist die Werkinhalte illustrieren. Geschmackvoll, nicht zu lebendig oder bunt ist der Ablauf sodass die Ablenkung nicht zu gross ist bzw die bildliche Untermalung der Handlung mit der Musik verschmilzt.

Lauter kräftiger Beifall für alle.

Dr. Helmut Pitsch

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