© Helmut Pitsch
Mit starken Aussagen, starker Medienpräsenz und ansprechender Aufmachung reizt Hidalgo, ein neues Klassikfestival, das derzeit in München läuft. Junge Künstler gestalten ein Festival, das mit alten Traditionen brechen will und neue Abenteuer sucht. Unter dem Leitspruch "Die alten bösen Lieder" werden fünf Themenabende angeboten. Schirmherrschaft über die Veranstaltungen hat der gefeierte Liedsänger Christian Gerhaher übernommen. Gegensätze werden herausgefordert, Altes wird Neuem gegenübergestellt, Grenzen werden aufgebrochen, Sänger und Liedbgleiter stehen DJ und Synthesizern gegenüber, Videoinstallationen zur Visualisierung der Lyrik eingebunden. So geschehen am ersten Abend mit dem vielversprechenden Namen Epimetheus, griechisch " der Denkende" aber auch der Name des Bruder des Prometheus. Epimetheus erhielt von Zeus Pandora, mit der sagenhaften Büchse, zur Frau. Die schicksalshafte Büchse, die beim Öffnen viel Unheil und Plagen über die Menschheit brachte, bis die Hoffnung als einzig positive Gabe am Ende die Menschen überleben lies. So schlimm war aber die Eröffnung des Abends nicht angedacht. Auch wenn die vielversprechenden Aussage nicht erfüllt wurden, war doch im ersten Teil klassische Liedkunst mit Werken von Robert Schumann und Jacques Hetu auf hohem Niveau geboten. Zuerst aber wird den Besuchern des Max Joseph Saal der Münchner Residenz ein neues Raumgefühl vermittelt. In der Mitte des klassischen Konzertsaales steht auf einem Podest der Flügel, ein paar Sitzreihen mit Stühlen sind rundherum angeordnet. Dezente Spots in rot tauchen die prächtigen Kristallluster in milden Schimmer. Sanfte elektronische Sphärenmusik schwebt gedimt durch die Luft, zwei Videoleinwände verdecken teilweise den Blick auf den DJ und seine Mischpults. Das Publikum verteilt sich locker im Raum, steht, sitzt am Boden oder auf einen der Stühle. Die Hintergrundmusik erstirbt und die Künstler treten auf das Podest. Die Sopranistin Alexandra Flood ist kurzfristig eingesprungen und vollführt eine sehr innige, technisch perfekte Interpretation verschiedener Lieder des zeitgenössischen Komponisten Jacques Hetu. Im Anschluss bannt Matthias Winckhler mit sonorem vollmundigem Bariton mit Liedern nach Joseph von Eichendorff von Robert Schumann. Auf den Leinwänden werden Videoinstallationen projeziert, teils in bewegten Bilder, die versuchen die Stimmung der Lieder auch in optischen Effekten umzusetzen. Diese Kombination wird in letzter Zeit immer wieder angeboten, über die Wirkung und künstlerische Aussagekraft werden viele Diskussionen geführt, Faktum ist, das verschiedene Zuschauergruppen dem gestalterischen Konzept zusprechen. Die Musik und künstlerische Werkinterpretation geraten in den Hintergrund, zur Begleitmusik des optischen Reizes degradiert, das Konzert wird zum Event.
Insbesondere verstärkt sich der Eindruck, wenn nach dem traditionellen Liedgesang abrupt Tecnomusik einsetzt, anfangs leicht, weich mit Fragmenten der soeben beendeten Darbietungen. Unmerklich befinden wir uns in der Pause, welche merkbar nicht endet sollte sondern sich zur Tecno Party entwickelt, Videos und Lichtspiele inklusive. Unschlüssigkeit im Publikum über die Loslösung des klassischen Ablaufs ist spürbar. Zwanglos werden Gesprächen im Gang und Saal geführt, die Tecnoschläge werden heißer, der Bass dröhnt mit, die Rhythmen wechseln zwischen monoton und sphärisch, die ursprünglichen Gesänge lassen sich grad noch in Ansätzen erkennen. Langsam steigert der DJ die Frequenzen und Lautstärken , das mittlerweile ausschließlich junge Publikum wird von der Übermacht der Töne und Rhythmen erfasst, schwingt sich ein. Das Glas lässig in der Hand, mit Mühe noch ein Gespräch führend. Partystimmung übernimmt das Geschehen im ehrwürdigenSaal, der es mit Fassung trägt. Die Neukomposition lässt sich nunmehr nicht erkennen. Die Idee ist reizvoll, Tecno Musik sicherlich eine moderne Kompositionsform, der Brückenschlag, das musikalische Verbindungselement Lied bleibt in der Retorte stecken. Es zwingt sich die Frage auf, ob die Club Atmosphäre zum neuen Konzerterlebnis wird. Ambiente und äußere Gestaltung haben das Zeug dazu, der musikalische Inhalt muss sich noch formen.
Helmut Pitsch09. September 2018
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